Amyloidose: Die Diagnose ist ein neues Kapitel – nicht das Ende!

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Markus Büel (76) und Martin Bürgi (57) sind von der seltenen Erkrankung Amyloidose betroffen. Im Interview erzählen die beiden Gründer des Vereins Amyloidose Schweiz ihre Krankheitsgeschichte. Sie berichten, wie sie ihren Alltag damit bewältigen und warum sie die Patientenorganisation gründeten.

Wie kam es zu Ihrer Diagnose?

Martin Bürgi: Ich war immer sportlich, fuhr sehr ambitioniert Rad. Vor einigen Jahren spürte ich einen Leistungsknick. Zugleich litt ich an einem Karpaltunnelsyndrom. Ich suchte erst meinen Hausarzt und anschliessend Fachmediziner:innen für Neurologie, HNO und Lungenerkrankungen auf – vergebens. Erst nach zwei Jahren erhielt ich mit 54 meine Diagnose: Ich leide an der AL-Amyloidose, der häufigsten systemischen Amyloidose (siehe Kasten). Dabei erkranken die Plasmazellen im Knochenmark, die für die Produktion von Antikörpern verantwortlich sind. In meinem Fall ist besonders mein Herz betroffen, mein Herzmuskel ist sichtlich verdickt.

Markus Büel: Ich bin ein Abenteurer, nahm an Expeditionen in den Bergen Afrikas, der Antarktis, Südamerikas und Butans teil, befuhr mit der Familie im Kanu den Yukon von der Quelle in den Rocky Mountains (Kanada) bis ins Polarmeer und stand auf fünf Achttausendern, einmal auf dem Mount Everest. 2020 durchquerte ich Grönland. Dabei fiel es mir immer schwerer, meine Schuhe zu binden. 2021 wurde ich wegen Karpaltunnel-syndromen an beiden Händen operiert. Dann bekam ich bei Skitouren plötzlich Herzrasen. Im März 2023 liess ich meinen Leistungsabfall untersuchen. Mein Arzt schickte mich zum Kardiologen, der eine Veränderung des Herzens feststellte. Mit einer Ganzkörperszintigrafie und einer Gewebeprobe war die Diagnose nur zwei Monate später klar: Ich leide an der Amyloidoseform ATTR-CM (siehe Kasten).

Warum verzögert sich die Diagnose der Amyloidose häufig?

M. Bürgi: Gerade zu Anfang zeigt sich die Krankheit unspezifisch. Je nachdem wo sich fehlgefaltete Eiweisse ablagern, verändern sich verschiedene Organe. Oft sind Herz, Nieren und der Magen-Darm-Trakt betroffen.

M. Büel: Die Diagnose ist schwierig, weil die Symptome denen von Volkskrankheiten ähneln. Atemnot gibt es beispielsweise auch bei einer Herzinsuffizienz und kribbelnde, brennende oder taube Extremitäten bei Nervenerkrankungen.

M. Bürgi: Mediziner:innen denken bei solchen Symptomen zuerst an häufig auftretende, bekannte Erkrankungen – die seltene Amyloidose haben die meisten (noch) nicht auf dem Schirm. Die grosse Herausforderung ist demnach, der seltenen Erkrankung auf die Spur zu kommen.

Wie wurden und werden Sie behandelt?

M. Büel: Ich nehme seit der Diagnose täglich eine Tablette.

M. Bürgi: Meine Behandlung gleicht der eines Multiplen Myeloms und umfasst Chemotherapie sowie Stammzellentransplantation und ist mit entsprechenden Aufenthalten im Spital verbunden.

Sie gründeten den Verein Amyloidose Schweiz: Wie unterstützen Sie Erkrankte und Angehörige konkret?

M. Bürgi: Bis zu meiner Diagnose hatte ich noch nie von Amyloidose gehört. Ich stürzte mich als Erstes ins Internet und saugte auf, was ich dazu fand. Doch die Infos waren nur spärlich und leider auch beängstigend. Auf unserer Internetseite klären wir sachlich zur Amyloidose und ihrer Behandlung auf. Wir sind direkte Anlaufstelle, wenn Rat – auch medizinischer – gesucht wird.

M. Büel: Wir organisieren schweizweit Netzwerktreffen, auf denen sich Betroffene und Angehörige zum Alltag mit der Erkrankung austauschen können – so haben auch wir beide uns gefunden. Als Verein stehen wir zudem in Kontakt mit Forschungseinrichtungen, Kliniken und Pharmaunternehmen, um Studien zu unserer Erkrankung zu fördern. Und mit einem Interview wie diesem machen wir die Öffentlichkeit auf die Amyloidose aufmerksam.

Wie meistern Sie Ihr Leben mit Amyloidose?

M. Büel: Beim Bewältigen des Alltags mit Amyloidose spielen Ernährung und Bewegung eine grosse Rolle. Als zwei aktive Menschen machen Martin und ich hier sehr gute Erfahrungen. Wir besteigen zwar keine Achttausender mehr und fahren auch nicht mehr Rad, aber wir sind ständig zu Fuss in den Bergen unterwegs. Selbstverständlich müssen auch wir uns dazu aufraffen, aber gemeinsam gelingt uns das. Wir sind trotz unserer Diagnose zuversichtlich und dankbar für das, was wir haben. Dieses gute Lebensgefühl wünschen wir uns auch für andere Betroffene. Wir wissen, dass viele sich mit ihrer Krankheit zurückziehen und nicht nur physisch, sondern auch psychisch darunter leiden. Dagegen hilft nur alltäglicher Aktionismus. Wir wissen: Die Diagnose Amyloidose ist nicht das Ende, sondern ein neues Kapitel!

M. Bürgi: Ich musste wegen meiner Erkrankung aus dem Beruf ausscheiden. Doch ich füllte die plötzliche Leere mit neuen Aufgaben: Neben meiner Arbeit für den Verein lasse ich mich derzeit zum Peer-Coach ausbilden, um andere Betroffene künftig ernährungstechnisch beraten zu können.

M. Büel: Wissen Sie, ich warte nicht tatenlos, bis der Herrgott entscheidet, dass für mich Schluss ist. Meine Situation ist, wie sie ist. Ich mache daraus das Beste und gehe mit Martin in die Berge.

Kardiale Amyloidose: gleicher Begriff – zwei Formen

Von Valérie Herzog

Von einer Amyloidose spricht man, wenn sich im Körper natürlich vorkommende Eiweisse fälschlicherweise zu langen Fasern (Amyloid) zusammenschliessen und sich in den Organen ablagern. Lagert sich Amyloid im Herz ab, führt dies zu einer kardialen Amyloidose und zu einer Schädigung der Herzmuskulatur. Die Patient:innen leiden dann an Herzmuskelschwäche.

Es gibt zwei verschiedene Formen der kardialen Amyloidose, die sich sehr unterschiedlich auswirken: Die AL-Amyloidose (AL = Amyloidose aus Immunglobulin-Leichtkettenprotein) geht mit einer krebsartigen Vermehrung der Plasmazellen im Knochenmark einher.

Die Behandlung der AL-Amyloidose besteht deshalb einerseits aus der Verringerung der Amyloid produzierenden Leichtketten mittels einer Krebstherapie (Chemotherapie, Stammzellen-transplantation) und andererseits aus der Behandlung der Herzmuskelschwäche und der weiteren Symptome, die die AL-Amyloidose durch Amyloidablagerungen in anderen Organen hervorrufen kann.

Bei der ATTR-Amyloidose (ATTR = Amyloidose aus Transthyre- tinprotein), die entweder vererbt oder altersbedingt (meist ab 70 Jahren) ist, lagert sich Amyloid hauptsächlich im Herzmuskel ab und führt zu Herzmuskelschwäche. Amyloid kann sich schon früher auch in anderen Organen ablagern, was beispielsweise zu Karpaltunnelsyndrom, Nervenschmerzen (Polyneuropathie) und Rückenwirbelkanalverengung (Spinalkanalstenose) führen kann. Die Behandlung besteht einerseits aus der Unterbindung der weiteren Amyloidproduktion mit einer spezifischen Therapie und andererseits aus der Therapie der Herzmuskelschwäche.

Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung von Pfizer realisiert — PP-UNP-CHE-1225 Feb 2025 // Die Unabhängigkeit der Patientenmeinung wurde vollständig respektiert

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