Alltag mit bipolarer Störung

Alltag

Bipolare Störungen und Borderline-Störungen, die in der Öffentlichkeit oft wenig bekannt sind, betreffen weltweit Millionen von Menschen. Diese psychischen Erkrankungen, die manchmal verwechselt oder falsch diagnostiziert werden, äussern sich in starken Gefühlsschwankungen und schwer kontrollierbarem Verhalten. Sie können die Lebensqualität der Betroffenen ebenso wie die ihres Umfelds erheblich beeinträchtigen. Jade, eine junge Frau, die von diesen Erkrankungen betroffen ist, teilt ihre Erfahrungen, um ein besseres Verständnis dafür zu schaffen und zu zeigen, dass es möglich ist, Wege zu finden, mit ihnen umzugehen. Von Adeline Beijns

Wann haben Sie die ersten Anzeichen der Erkrankung gespürt und wie haben Sie sie damals wahrgenommen?

Die ersten Anzeichen spürte ich, als ich etwa 16 Jahre alt war. Ich wechselte zwischen Zeiten, in denen ich sehr depressiv war und mich völlig leer fühlte, und Zeiten, in denen ich plötzlich sehr glücklich war und vor Energie strotzte. Damals habe ich diese Stimmungsschwankungen nicht ernst genommen. Ich hielt sie einfach für normale Schwankungen in der Pubertät und hatte keine Ahnung, dass es sich um eine echte Krankheit handelte. Erst später, als die Diagnose feststand, ergab alles einen Sinn.

Welchen besonderen Herausforderungen müssen Sie sich im Alltag stellen?

Eine der grössten Herausforderungen ist es, stabile Beziehungen aufrechtzuerhalten. Das hat sich deutlich verbessert, seit ich meine Erkrankung erkannt habe und in Behandlung bin, aber es bleibt ein ständiges Bemühen. Schwierig ist die Unvorhersehbarkeit: Auch wenn alles in meinem Leben stabil erscheint, braucht
es nur eine Kleinigkeit, und alles kann ohne Vorwarnung kippen.

Die drei Phasen der Krankheit – Depression, Euphorie und Remissionsphasen – machen die Sache noch komplizierter. In den Remissionsphasen habe ich einen klaren Blick auf das, was ich durchgemacht habe, aber dieser ist oft begleitet von Schuldgefühlen, Scham und Bedauern über Entscheidungen oder Verhaltensweisen, die ich in den früheren Phasen getroffen habe. Diese Momente der Klarheit sind sowohl eine Erleichterung als auch eine emotionale Belastung.

Welche Aktivitäten oder Strategien helfen Ihnen, mit Ihren Gefühlen und Herausforderungen umzugehen?

Künstlerische Aktivitäten sind meine Zuflucht. Ob Musik, Zeichnen oder Malen, sie geben mir viel Trost und helfen mir, mich im Augenblick zu verankern. Auch Meditation und Atemübungen sind wertvolle Hilfen, um meinen Geist in Krisenzeiten zu beruhigen.

Wie wirkt sich Ihre Erkrankung auf Ihre persönlichen Beziehungen aus und wie trägt Ihr Umfeld zu Ihrem Wohlbefinden bei?

Die Erkrankung kann meine Beziehungen erschweren, da meine Angehörigen oft mit unerwarteten Reaktionen oder Phasen, in denen ich mich völlig zurückziehe, umgehen müssen. Aber ich habe das Glück, Familie und Freunde zu haben, die versuchen, mich zu verstehen. Ihre Geduld und Unterstützung machen einen grossen Unterschied.

Warum werden diese Störungen Ihrer Meinung nach immer noch weitgehend missverstanden oder unterdiagnostiziert, und wie haben Sie persönlich diese Missverständnisse erlebt?

Diese Störungen werden oft missverstanden, weil sie von aussen nicht sichtbar sind. Viele denken, es handele sich nur um «Stimmungsschwankungen», dabei ist es viel komplexer. Bevor ich die Diagnose erhielt, hatte ich oft das Gefühl, dass mein Leiden heruntergespielt oder meinem Charakter zugeschrieben wurde. Ich selbst habe manchmal gedacht, dass ich einfach so bin und dass ich einen schwierigen Charakter habe. Gegenüber anderen isolierte mich dieser Mangel an Verständnis und verzögerte meinen Zugang zu einer angemessenen Behandlung. Ich glaube, dass viele Menschen immer noch Angst vor diesen Erkrankungen haben.

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