Von der Müdigkeit zur Diagnose: HPV als abwendbares Schicksal 

Sophie
Sophie, 59 Jahre alt

Das humane Papillomavirus (HPV) ist eine der weltweit häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen, von der fast 90% aller Frauen und Männer mindestens einmal in ihrem Leben betroffen sind. In der Schweiz sind diese Viren für mehr als 99% der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich, mit etwa 250 neuen Diagnosen pro Jahr bei Frauen und davon 80 Todesfällen. Angesichts dieser Tatsache bleibt die regelmässige Vorsorgeuntersuchung mittels Pap-Abstrich von entscheidender Bedeutung.1 Das BAG empfiehlt die HPV-Impfung im Alter von 11 bis 14 Jahren, damit die Impfung vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgt und der Schutz optimal ist – doch auch danach lohnt sich eine Impfung für Mädchen und Frauen vor dem 26.2 Lebensjahr. Der Erfahrungsbericht der 59-jährigen Sophie veranschaulicht die persönlichen Auswirkungen von HPV. Sophie plädiert für eine gemeinsame Prävention, die auch Männer einbezieht. | Adeline Beijns

Ein Leben, durch einen unsichtbaren Feind auf den Kopf gestellt

Sophie ist eine temperamentvolle, neugierige und energetische Frau. Sie befindet sich mitten in einer beruflichen Umorientierung und absolviert eine Ausbildung zur Küchenplanerin, während sie gleichzeitig ihren Lieblingstätigkeiten nachgeht: langen Spaziergängen in der Natur und stundenlangem Lesen. Als Mutter einer Tochter und eines Sohnes, die mittlerweile erwachsen und unabhängig sind, geniesst sie diese neue Phase ihres Lebens in vollen Zügen. Doch vor 32 Jahren, im Jahr 1993, wurde ihr Leben brutal erschüttert, als hätte sich plötzlich ein dunkler Schleier über ihren vielversprechenden Horizont gelegt. 

Damals etwa 20 Jahre alt, lebte Sophie mit ihrem Mann im Ausland und kämpfte mit einer anhaltenden, unerklärlichen Müdigkeit. «Ich wachte morgens erschöpft auf, obwohl ich ein ganz normales Leben ohne Überlastungen oder Stress führte», erinnert sie sich. Besorgt und verzweifelt, weit weg von ihrem gewohnten Familien- und Freundeskreis, beschloss Sophie schliesslich, ihren Hausarzt aufzusuchen, der ihr eine Routineblutuntersuchung verschrieb. Die Ergebnisse zeigten beunruhigende Anomalien, die zu einem Termin beim Frauenarzt und einem Abstrich führen.  Einige Tage später fällt die Diagnose: Gebärmutterhalskrebs, verursacht durch HPV-Viren. Von diesen Viren hatte Sophie noch nie etwas gehört, denn damals war HPV noch ein Thema, über das in den Medien kaum berichtet wurde. Zwar hatte ihre Mutter wegen Gebärmutterkrebs eine Hysterektomie gehabt, aber das schien ihr eine längst vergangene Episode ohne direkten Bezug zu sein. «Es war, als würde mir der Himmel auf den Kopf fallen», sagt sie, noch immer geprägt von diesem tiefen Schock.

In nur anderthalb Wochen wurde ihr Alltag völlig auf den Kopf gestellt: in einer Operation wurde der befallene Teil des Gebärmutterhalses entfernt. Sieben Jahre später, im Jahr 2000, erfolgte ein Rückfall. Sophies Widerstandsfähigkeit wurde durch eine Strahlentherapie und von Unsicherheit geprägten Sitzungen erneut auf die Probe gestellt. In dieser langen und einsamen Zeit im Ausland erwies sich ihr Ex-Mann als eine wichtige moralische Stütze. Ohne enge Freunde oder Familie in der Nähe und noch immer trauernd um den kürzlichen Verlust ihres Bruders und ihrer Mutter, betont Sophie heute, wie wichtig es ist, in einer solchen Situation von Menschen umgeben zu sein, die einem beistehen und die Einsamkeit in kollektive Stärke verwandeln.

Das gesellschaftliche Tabu brechen

Glücklicherweise war Sophie damals nicht von Stigmatisierung betroffen, da HPV-Viren der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt waren. Rückblickend sieht sie dies als Glücksfall, setzt sich aber heute dafür ein, dem Thema mit absoluter Offenheit zu begegnen. «Man muss ohne Scham über dieses Thema sprechen können, um es zu entmystifizieren und der Gesundheit Vorrang zu geben», betont sie, überzeugt davon, dass das Brechen von Tabus Leben retten kann.

Eine Botschaft der Hoffnung und des Handelns für alle

Heute richtet Sophie einen Appell sowohl an Frauen als auch an Männer: «Gehen Sie regelmässig zu Ihrem Facharzt / Ihrer Fachärztin, das ist lebenswichtig. Und denken Sie vor allem daran, sich rechtzeitig impfen zu lassen.» Sie bedauert, dass es zu ihrer Zeit noch keinen Impfstoff gab, und ist überzeugt, dass ein solcher ihr diese Tortur erspart hätte.

Eine gemeinsame Verantwortung in der Partnerschaft

Im Mittelpunkt ihres Erfahrungsberichts betont Sophie, wie wichtig ein offener und ehrlicher Dialog innerhalb der Partnerschaft über übertragbare Viren ist. «Prävention ist eine gemeinsame Verantwortung, für sich selbst und für den anderen», bekräftigt sie. 

Die Lektionen einer unerwarteten Widerstandsfähigkeit

Sophies Krankheitsgeschichte hat ihr eine innere Stärke offenbart, die sie nicht für möglich gehalten hätte. «Ich habe die Rückschläge verkraftet und sie haben mich stärker und widerstandsfähiger gemacht, als ich es mir jemals hätte vorstellen können», vertraut sie uns an. Sie empfiehlt regelmässige und konsequente Vorsorgeuntersuchungen: «Unsere Gesundheit ist unser kostbarstes Gut, wir sollten sie nicht vernachlässigen.» Für sie ist HPV kein unabwendbares Schicksal: wenn es rechtzeitig erkannt wird, kann es wirksam behandelt werden und verwandelt sich von einer Bedrohung in eine Chance für eine erhöhte Wachsamkeit.

HPV, ein gemeinsamer Kampf 

HPV betrifft Frauen und Männer gleichermassen. Offen über HPV zu sprechen heisst, Solidarität zu fördern, Prävention zu unterstützen und eine gemeinsame Gesundheit aufzubauen. In der Schweiz werden jedes Jahr etwa 250 Fälle von Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert, darum sind Prävention und regelmässige Vorsorgeuntersuchungen besonders wichtig.1 Sophie ist der lebende Beweis dafür, dass Wachsamkeit Leben rettet und schwere Zeiten auch die eigene Stärke beweisen. 

Referenzen: 

  1. MSD Gesundheit Schweiz – HPV Info: Für Frauen, https://www.msd-gesundheit.ch/de/hpv-info/fuer-frauen-26
  2. Bundesamt für Gesundheit (BAG) – Humane Papillomaviren (HPV), https://www.bag.admin.ch/de/papillomavirus-humains-hpv
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Aufklärung über Schizophrenie

Schizophrenie ist nach wie vor eine der am wenigsten verstandenen psychischen Erkrankungen. Häufig mit Vorurteilen behaftet, weckt sie in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch unbegründete Ängste. Die komplexe Erkrankung betrifft etwa 1% der Bevölkerung und erfordert mehr Aufklärung, damit die Betroffenen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen.

Loading

Mehr lesen »

Alltag mit bipolarer Störung

Bipolare Störungen und Borderline-Störungen, die in der Öffentlichkeit oft wenig bekannt sind, betreffen weltweit Millionen von Menschen. Diese psychischen Erkrankungen, die manchmal verwechselt oder falsch diagnostiziert werden, äussern sich in starken Gefühlsschwankungen und schwer kontrollierbarem Verhalten. Sie können die Lebensqualität der Betroffenen ebenso wie die ihres Umfelds erheblich beeinträchtigen. Jade, eine junge Frau, die von diesen Erkrankungen betroffen ist, teilt ihre Erfahrungen, um ein besseres Verständnis dafür zu schaffen und zu zeigen, dass es möglich ist, Wege zu finden, mit ihnen umzugehen.

Loading

Mehr lesen »

Wenn Liebe zum Wahn wird: Die Faszination der Erotomanie

Liebe ist ein komplexes und faszinierendes Gefühl, doch manchmal kann sie eine irrationale Wendung nehmen. Bei der Erotomanie (Liebeswahn), einer wenig bekannten, aber sehr interessanten psychischen Störung, glauben die Betroffenen fest daran, von jemandem geliebt zu werden – oft von einer sozial unerreichbaren Person. Um dieses Phänomen besser zu verstehen, haben wir mit Dr. Lakshmi Waber gesprochen, Facharzt für Psychiatrie und Sexualmedizin und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Sexualmedizin. Er gibt spannende Einblicke in die Ursachen, Behandlungsansätze und die oft übersehenen Realitäten dieser Störung.

Loading

Mehr lesen »

Je früher, desto besser: Spastik gezielt behandeln

Spastik tritt häufig bei Erkrankungen wie Schlaganfall, Multipler Sklerose, Cerebralparese oder Querschnittlähmung auf. Diese Muskelspannung entsteht durch eine Fehlsteuerung der Nerven, welche die Bewegungen der Muskeln regulieren. Spastik kann nicht nur die Beweglichkeit der Arme oder Beine einschränken, sondern auch Schmerzen, Gelenkprobleme und andere Beschwerden verursachen. Frühzeitige und gezielte Therapien können Spastik lindern, die Beweglichkeit erhalten und damit die Lebensqualität steigern. Interview mit KD Dr. med. PhD Inge Eriks Hoogland, Dr. med. Audrey Weaver und Dr. med. Henrik Rühe.

Loading

Mehr lesen »