Unter dem Schnee, die Flamme: Die Geheimnisse der Winter-Sexualität

Dr. med. Lakshmi Waber
Dr. med. Lakshmi Waber
Psychiater und Psychotherapeut in Genf

Die Feiertage zum Jahresende stehen vor der Tür, und mit ihnen der Glanz aus funkelnden Lichtern, üppigen Mahlzeiten und lebhaften Wiedersehen. Aber unter dem Zauber der Tannenbäume und den Toasts kann sich ein diskreter Gast davonschleichen: die Libido. Der Winter mit seinen kurzen Tagen und seinem festlichen Stress verschont unsere intimen Wünsche nicht. Um diese Herausforderungen zu erforschen und sie mit Fingerspitzengefühl zu bewältigen, haben wir Dr. med. Lakshmi Waber, Psychiater, Sexologe und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Sexologie, befragt. In diesem Interview gibt er uns Tipps, wie wir die Festtage zu einem Verbündeten unserer Libido machen können, anstatt sie als Hemmnis zu betrachten. | Adeline Beijns

Wie wirkt sich der Mangel an Licht im Winter auf die Libido aus und welche einfachen Lösungen gibt es, um sie ohne übermässige Anstrengung wieder anzuregen?

Tatsächlich kann der Mangel an natürlichem Licht im Herbst und Winter Lust und sexuelles Verlangen verringern. Dies betrifft besonders Menschen, die zu saisonalen Depressionen neigen. Lichtmangel stört unser inneres Gleichgewicht und macht den Körper weniger empfänglich. Um dem entgegenzuwirken, empfehle ich drei Hauptansätze: setzen Sie sich auch im Winter so viel wie möglich dem natürlichen Licht aus und verbringen Sie mehr Zeit im Freien, um Ihre biologische Uhr zu regulieren. Wenn das nicht ausreicht, konsultieren Sie einen Arzt oder eine Ärztin, um eine Lichttherapie in Betracht zu ziehen. Diese kann ohne übermässigen täglichen Aufwand Wunder bewirken! Zweitens: treiben Sie regelmässig Sport. Das hält gesund und stärkt die Verbindung zu Ihrem Körper, was zu einem spontaneren Verlangen führt.

Und schliesslich: warten Sie nicht auf ein unwiderstehliches Verlangen, um Intimität mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin zu initiieren. Wie das Sprichwort sagt: «Der Appetit kommt beim Essen» – durch Übung wird das Verlangen wieder geweckt. Im Winter kuscheln wir uns gerne warm ein und schauen Serien, das kann sowohl den Schlaf als auch die Libido stören. Wer statt digitaler Aktivitäten auf zärtliche Momente fokussiert, kann auf natürliche Weise die Libido fördern.

Wie kann man angesichts der üppigen Mahlzeiten und des Stresses der Feiertage zum Jahresende Momente der Zweisamkeit bewahren?

Üppige Festtagsmahlzeiten können als eine Form der körperlichen Betätigung verstanden werden und haben einen direkten Einfluss auf die sexuelle Aktivität. Nach einem Festmahl fühlt man sich schwer und «Heldentaten» werden schwieriger. Man muss sich also flexibel anpassen und intime Momente vor oder nach dem Essen planen, wenn der Körper dazu besser in der Lage ist. Hinzu kommt der Stress der Feiertage – Organisation, Einkäufe, Familientreffen – bei denen man sich in der Rolle eines Kindes, Bruders oder einer Schwester wiederfinden und dabei seine Identität als Erwachsene:r vergessen kann. 

Regelmässige Intimität hilft dabei, Stress zu bewältigen, Freude und Erfüllung zu empfinden und als Paar die Vertrautheit zueinander zu bewahren. Sie ist also ein wesentlicher Bestandteil einer guten allgemeinen Gesundheit. Um sich als Paar ohne Druck von aussen wieder näherzukommen, können intime Auszeiten, beispielsweise eine Stunde vor dem familiären Chaos oder einen Abend danach, helfen. 

Welche sexuellen Vorsätze würden Sie empfehlen, um das Intimleben im Jahr 2026 zu beleben, ohne unnötigen Druck zu erzeugen?

Um sich sexuell zu entfalten, sollten Sie sich eher auf Vorsätze statt auf starre Ziele wie eine wöchentliche Quote an sexuellen Kontakten konzentrieren. Vorsätze geben neue Energie und bereiten Freude, während Ziele die Entfaltung eher hemmen, indem sie Ängste hervorrufen. 

Nehmen Sie eine kreative und positive Perspektive ein: betrachten Sie Sexualität als Quelle von Ressourcen, Vergnügen und erotischer Fantasie, ohne sie auf eine auf den Orgasmus orientierte Leistung zu reduzieren. Auch «digitale» Aspekte wie beispielsweise eine Abhängigkeit von Bildschirmen können schädlich sein. 

Begeben Sie sich auf spielerische Entdeckungsreisen: probieren Sie neue Wege aus, um sich emotional und sinnlich zu verbinden, und legen Sie dabei Wert auf Spontaneität. Nehmen Sie sich beispielsweise Zeit für Intimität ohne bestimmte Erwartungen oder pflegen Sie tägliche Momente zu zweit. Die Idee ist, ein fliessendes und natürliches Verlangen zu nähren, für ein Jahr, in dem Sexualität zu einem bereichernden Verbündeten und nicht zu einer Belastung wird.

Wie kann man bei Silvesterpartys und flüchtigen Begegnungen gesund bleiben, ohne die festliche Stimmung zu trüben?

Mit der Zunahme festlicher Anlässe entstehen zwei grosse Risiken: Chemsex und sexuell übertragbare Infektionen (STI). Was Chemsex angeht, sollten Sie darauf achten, was Sie zu sich nehmen: vermeiden Sie Substanzen, die zu künstlichen Leistungen oder riskanten Praktiken verleiten, und geniessen Sie stattdessen echte Lust. Die Prävalenz von STI nimmt in der Schweiz zu, weil die Behandlungen zugänglicher und wirksamer sind, aber einige Formen von STI sind resistent und können schwerwiegende Folgen haben.

Schützen Sie sich und suchen Sie im Zweifelsfall unverzüglich einen Arzt oder eine Ärztin auf. Kommunizieren Sie offen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin und betonen Sie die Wichtigkeit von Verhütung. Das mag die Stimmung trüben, ist aber ein Akt des Respekts und sollte das Vergnügen nicht einschränken. Bleiben Sie positiv und verantwortungsbewusst, denn Sicherheit stärkt die festliche Gelassenheit.

Welche Ideen gibt es für intime Weihnachtsgeschenke, die Freude bereiten, ohne peinlich zu sein?

Ein Sexspielzeug zu verschenken kann in der Tat peinlich sein, es sei denn, Sie kennen die Person und ihre Vorlieben sehr gut. Entscheiden Sie sich im Zweifelsfall  lieber für subtilere und bereichernde Geschenke wie Gesellschafts-, Karten- oder Brettspiele mit erotischem Bezug. 

Diese sind diskret, lustig und in grosser Auswahl erhältlich, und laden dazu ein, gemeinsam über Emotionen, Sexualität und erotische Fantasien nachzudenken – sei es zu zweit oder sogar in der Gruppe. 

Die Idee ist, einen sich entwickelnden erotischen Prozess zu fördern, bei dem das Vergnügen wächst, ohne Sexualität auf Objekte zu reduzieren. Bevorzugen Sie gemeinsame Bereicherung statt Abhängigkeit von Gegenständen: diese Art von Geschenk wird zu einem Auslöser für Vertrautheit.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Mehr als Routine: der Gesundheits-Check-up als Schlüssel zur Vitalität

Regelmässige Gesundheits-Check-ups gehören heute zu den wichtigsten Säulen der modernen Präventivmedizin. Sie helfen, stille Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder Tumorerkrankungen frühzeitig zu erkennen, lange bevor Beschwerden auftreten. Durch gezielte Diagnostik und individuelle Beratung lassen sich Krankheiten nicht nur rechtzeitig behandeln, sondern häufig auch besser kontrollieren und antizipieren. PD Dr. med. Dr. sc. nat. Erik Walter Holy von der Privatklinik Bethanien, die Teil des Swiss Medical Network ist, erklärt, wie Prävention und Gesundheitsbewusstsein entscheidend dazu beitragen, Vitalität, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität langfristig zu erhalten.

Loading

Mehr lesen »

Augenblicke der Hoffnung: moderne Techniken bei Netzhauterkrankungen

Netzhauterkrankungen stellen hohe Anforderungen an Diagnostik und chirurgische Präzision. Gerade in diesem Bereich der Augenheilkunde hat sich in den letzten Jahren viel getan. Welche Entwicklungen diesen Wandel prägen, wie sich die operative Praxis verändert hat und welche Rolle dabei die Perspektive der Patientinnen und Patienten spielt, darüber spricht Prof. Dr. med. Matthias Becker, Chefarzt und Leiter Forschungszentrum Augenklinik, Stadtspital Zürich Triemli, im Interview.

Loading

Mehr lesen »

Gewicht und Blutzucker in den Wechseljahren – Studie Teilnahme

Im meinem Lieblingskaffee gibt es plötzlich auch Matcha-Latte, auf Social Media sieht man zahlreiche «Mushroom Coffees» und in einer Fernsehwerbung wirbt Jennifer Aniston für ein Kollagen-Pulver für schönere Haut. Funktionelle Lebensmittel, aus dem englischen «Functional Foods», haben den Nischenmarkt verlassen. Der Begriff beschreibt Lebensmittel oder Getränke, die über ihre reine Nährstoffversorgung hinaus einen spezifischen, gesundheitlichen Zusatznutzen bieten. Dies wird oft durch die Zugabe oder natürliche Konzentration von bioaktiven Inhaltsstoffen erreicht. Doch was ist Marketing und was bringt tatsächlich Nutzen? Sehen wir uns einmal die wissenschaftliche Evidenz hinter einigen populären funktionellen Lebensmitteln an.

Loading

Mehr lesen »

Mehr Menschlichkeit und Effizienz durch vernetzte Versorgung

Integrierte Versorgung ist mehr als ein Schlagwort – sie steht für ein Gesundheitssystem, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Mit dem integrierten Versorgungsmodell VIVA verfolgt das Swiss Medical Network einen ganzheitlichen Ansatz, der Hausärzt:innen, Fachspezialist:innen und Spitäler miteinander verbindet. Im Interview erklärt Esthelle Le Gallic de Kerizouët, CEO von VIVA Health Suisse, wie dieses Konzept den Alltag von Patient:innen spürbar verändert – und warum Zusammenarbeit der Schlüssel für Qualität und Vertrauen ist.

Loading

Mehr lesen »

So jung hatte ich nicht mit Krebs gerechnet

Wenn man sein ganzes Leben noch vor sich hat, kann es surreal oder sogar grausam erscheinen, wenn eine Krankenschwester mit einem unbeholfenen Lächeln sagt: «Sie haben Glück, Sie haben die richtige Krebs-art gewählt, denn Schilddrüsenkrebs ist gut behandelbar.» Denn auch wenn diese Krebsart oft eine gute Prognose hat, fühlt man sich in diesem Alter nicht bereit, sich mit diesem beängstigenden Wort auseinanderzusetzen. Denn es steht für Unsicherheit und Angst. Das empfand Magda, heute 39 Jahre alt, als die Diagnose gestellt wurde. Fünfzehn Jahre später, während sie ein Fotoalbum über ihre letzte 3500 km lange Reise durch Namibia vorbereitet, erzählt sie von ihrem Lebensweg, der von der Krankheit und dem Wunsch geprägt ist, weiterhin ein erfülltes Leben zu führen.

Loading

Mehr lesen »

Prostatakrebs: was jeder Mann wissen sollte

Obwohl Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern ist, ist er immer noch mit vielen Vorurteilen verbunden. Dank Früherkennung und multidisziplinären Behandlungsmöglichkeiten haben sich die Aussichten auf Heilung für Betroffene erheblich verbessert. Entscheidend bleibt die richtige Aufklärung, die Männer dazu ermutigen soll, das Stigma rund um Prostatakrebs abzulegen und ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Interview befragten wir Dr. med. Berardino De Bari, Leiter der Abteilung für Radioonkologie am Neuenburger Spitalnetzwerk.

Loading

Mehr lesen »