So jung hatte ich nicht mit Krebs gerechnet

Wenn man sein ganzes Leben noch vor sich hat, kann es surreal oder sogar grausam erscheinen, wenn eine Krankenschwester mit einem unbeholfenen Lächeln sagt: «Sie haben Glück, Sie haben die richtige Krebs-art gewählt, denn Schilddrüsenkrebs ist gut behandelbar.» Denn auch wenn diese Krebsart oft eine gute Prognose hat, fühlt man sich in diesem Alter nicht bereit, sich mit diesem beängstigenden Wort auseinanderzusetzen. Denn es steht für Unsicherheit und Angst. Das empfand Magda, heute 39 Jahre alt, als die Diagnose gestellt wurde. Fünfzehn Jahre später, während sie ein Fotoalbum über ihre letzte 3500 km lange Reise durch Namibia vorbereitet, erzählt sie von ihrem Lebensweg, der von der Krankheit und dem Wunsch geprägt ist, weiterhin ein erfülltes Leben zu führen. | Adeline Beijns

Der Beginn des unerwarteten Abenteuers

Im Jahr 2008, als sie noch eine junge Frau voller Energie war, führte Magda ein erfülltes Leben. Als Studentin liebte sie Volleyball, Ausflüge in die Berge und Abende mit Freund:innen. Sie stammte aus einer eng verbundenen Familie und hatte eine starke Bindung zu ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester. Es sollte ein Sommer wie jeder andere werden, mit einer Kreuzfahrt auf dem Fluss Douro, aber alles änderte sich bei einer einfachen medizinischen Untersuchung, zu der sie sich vor Beginn des neuen Semesters entschlossen hatte.

An diesem Tag bemerkte ihr Hausarzt bei der körperlichen Untersuchung eine Zyste an ihrem Hals. «Nichts Beunruhigendes», sagte er ihr und verschrieb ihr Schilddrüsenhormone, um die Zyste zu verkleinern. Trotz der beruhigenden Worte des Arztes beschloss Magda, die sich stets um ihre Gesundheit sorgte, ihn erneut aufzusuchen, um sicherzugehen, dass es sich um nichts Ernstes handelte. Da dieser im Urlaub war, sprach sie mit ihrer Heilpraktikerin darüber, die sie an eine ausgezeichnete Endokrinologin verwies.

Vorsichtshalber empfahl diese Spezialistin eine Punktion der Zyste sowie eine Blutuntersuchung. Magda erinnert sich an diesen Moment, als wäre es gestern gewesen. «Sie sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen, die Zyste sei sehr weich und es handele sich wahrscheinlich nur um eine reine Formalität.» Doch nur zwei Tage nach der Untersuchung klingelt das Telefon. Die Endokrinologin möchte sie dringend zusammen mit ihren Eltern sehen. Magda überkommt ein schreckliches Gefühl: Etwas stimmt nicht.

Die Diagnose: ein Schock

Das Urteil fällt brutal aus: Schilddrüsenkrebs, Stadium 2. In diesem Moment bricht ihr der Boden unter den Füssen weg. Umgeben von ihren Eltern und ihrer Schwester verkraftet Magda den Schock. Tränen fliessen, Fragen schiessen ihr durch den Kopf, aber eine Gewissheit bleibt: gemeinsam werden sie diese Prüfung bestehen. «Ich hatte Angst, aber ich war nie allein. Meine Eltern, meine Schwester und meine Freund:innen… Sie waren immer für mich da.» Um zu verstehen, was das bedeutete, musste Magda lernen, welche wichtige Rolle die Schilddrüse spielt.

Diese kleine Drüse am Halsansatz reguliert den Stoffwechsel, die Körpertemperatur und beeinflusst die Herzfrequenz sowie das Energieniveau. Ein Leben ohne Schilddrüse bedeutet daher, dass diese lebenswichtigen Hormone für den Rest des Lebens täglich durch eine Behandlung ersetzt werden müssen. «Anfangs hatte ich keine Ahnung davon, aber ich musste mich schnell daran gewöhnen», erzählt Magda.

Die Behandlungen: eine Kraftprobe

Magda muss sich auf eine Reihe von anstrengenden Behandlungen vorbereiten. Die erste davon ist eine Operation zur Entfernung der Schilddrüse, was bedeutet, dass sie ihr Leben lang auf eine Hormonersatztherapie angewiesen sein wird, um das Fehlen dieser Drüse auszugleichen. Ohne diese Medikamente würde sie Gefahr laufen, sich ständig erschöpft und depressiv zu fühlen oder unter Gewichtsproblemen und anderen Symptomen zu leiden, die mit einer Stoffwechselstörung verbunden sind.

Nach der Operation muss Magda sich einer Brachytherapie unterziehen, einer Behandlung mit radioaktivem Jod, um eventuell noch vorhandene Krebszellen in ihrer Schilddrüse zu zerstören. Dies erfordert eine vollständige Isolierung für etwa zehn Tage in einem speziell ausgestatteten Krankenhauszimmer, um andere vor der Strahlung zu schützen. «Es war schwer, von der Welt abgeschnitten zu sein, aber dank meines Laptops konnte ich mit meiner Familie und meinen Freund:innen Videotelefonate führen, was mir half, gute Laune zu bewahren», erinnert sie sich.

Die Herausforderungen eines veränderten Alltags

Nach der Operation und der Brachytherapie muss Magda lernen, ohne Schilddrüse zu leben. Medizinische Kontrollen werden zu ihrer neuen Routine. Die richtige Dosierung der Ersatzhormone zu finden, um diejenigen zu ersetzen, die ihre Drüse nicht mehr produziert, ist ein langwieriger und komplizierter Prozess. «Anfangs musste ich fast jede Woche Blutuntersuchungen machen lassen, um die Dosierung anzupassen, dann wurden die Termine mit der Zeit seltener.» Trotz dieser komplexen Anpassungen lässt sie sich nicht unterkriegen. Magda nimmt ihr Studium wieder auf und schliesst es schliesslich mit Bravour ab, was beweist, dass die Krankheit ihr weder ihre Energie noch ihren Kampfeswillen genommen hat.

Das Leben nach dem Krebs

Heute, fünfzehn Jahre nach dieser Tortur, führt Magda ein erfülltes Leben. «Mir geht es gut», sagt sie schlicht. Die Narbe an ihrem Hals ist immer noch da, unauffällig, aber manchmal schmerzhaft, wie eine stille Erinnerung an das, was sie durchgemacht hat. Sie lässt sich weiterhin jährlich untersuchen, um sicherzustellen, dass ihre Dosierung optimal ist, obwohl ihr Endokrinologe, zu dem sie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte, kürzlich in den Ruhestand gegangen ist. Am auffälligsten ist jedoch ihr Optimismus. Magda, die voller Vorfreude ihren 40. Geburtstag vorbereitet, lässt sich nicht mehr von Angst leiten. Sie träumt nun davon, Japan zu erkunden, ein Land, das sie schon immer fasziniert hat.

Eine Botschaft der Hoffnung

Wenn Magda auf ihren Weg zurückblickt, ist sie zutiefst dankbar. «Das Leben war gnädig zu mir», sagt sie mit einer entwaffnenden Gelassenheit. Der Krebs hat natürlich Spuren hinterlassen, aber er hat ihre Leidenschaft für Reisen, Abenteuer und das Zusammensein mit ihren Lieben nicht beeinträchtigt. Denn für Magda ist der beste Weg, nach einer Krebserkrankung weiterzuleben, Schritt für Schritt voranzugehen und niemals aufzuhören zu träumen. 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Mehr als Routine: der Gesundheits-Check-up als Schlüssel zur Vitalität

Regelmässige Gesundheits-Check-ups gehören heute zu den wichtigsten Säulen der modernen Präventivmedizin. Sie helfen, stille Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder Tumorerkrankungen frühzeitig zu erkennen, lange bevor Beschwerden auftreten. Durch gezielte Diagnostik und individuelle Beratung lassen sich Krankheiten nicht nur rechtzeitig behandeln, sondern häufig auch besser kontrollieren und antizipieren. PD Dr. med. Dr. sc. nat. Erik Walter Holy von der Privatklinik Bethanien, die Teil des Swiss Medical Network ist, erklärt, wie Prävention und Gesundheitsbewusstsein entscheidend dazu beitragen, Vitalität, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität langfristig zu erhalten.

Loading

Mehr lesen »

Augenblicke der Hoffnung: moderne Techniken bei Netzhauterkrankungen

Netzhauterkrankungen stellen hohe Anforderungen an Diagnostik und chirurgische Präzision. Gerade in diesem Bereich der Augenheilkunde hat sich in den letzten Jahren viel getan. Welche Entwicklungen diesen Wandel prägen, wie sich die operative Praxis verändert hat und welche Rolle dabei die Perspektive der Patientinnen und Patienten spielt, darüber spricht Prof. Dr. med. Matthias Becker, Chefarzt und Leiter Forschungszentrum Augenklinik, Stadtspital Zürich Triemli, im Interview.

Loading

Mehr lesen »

Gewicht und Blutzucker in den Wechseljahren – Studie Teilnahme

Im meinem Lieblingskaffee gibt es plötzlich auch Matcha-Latte, auf Social Media sieht man zahlreiche «Mushroom Coffees» und in einer Fernsehwerbung wirbt Jennifer Aniston für ein Kollagen-Pulver für schönere Haut. Funktionelle Lebensmittel, aus dem englischen «Functional Foods», haben den Nischenmarkt verlassen. Der Begriff beschreibt Lebensmittel oder Getränke, die über ihre reine Nährstoffversorgung hinaus einen spezifischen, gesundheitlichen Zusatznutzen bieten. Dies wird oft durch die Zugabe oder natürliche Konzentration von bioaktiven Inhaltsstoffen erreicht. Doch was ist Marketing und was bringt tatsächlich Nutzen? Sehen wir uns einmal die wissenschaftliche Evidenz hinter einigen populären funktionellen Lebensmitteln an.

Loading

Mehr lesen »

Mehr Menschlichkeit und Effizienz durch vernetzte Versorgung

Integrierte Versorgung ist mehr als ein Schlagwort – sie steht für ein Gesundheitssystem, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Mit dem integrierten Versorgungsmodell VIVA verfolgt das Swiss Medical Network einen ganzheitlichen Ansatz, der Hausärzt:innen, Fachspezialist:innen und Spitäler miteinander verbindet. Im Interview erklärt Esthelle Le Gallic de Kerizouët, CEO von VIVA Health Suisse, wie dieses Konzept den Alltag von Patient:innen spürbar verändert – und warum Zusammenarbeit der Schlüssel für Qualität und Vertrauen ist.

Loading

Mehr lesen »

So jung hatte ich nicht mit Krebs gerechnet

Wenn man sein ganzes Leben noch vor sich hat, kann es surreal oder sogar grausam erscheinen, wenn eine Krankenschwester mit einem unbeholfenen Lächeln sagt: «Sie haben Glück, Sie haben die richtige Krebs-art gewählt, denn Schilddrüsenkrebs ist gut behandelbar.» Denn auch wenn diese Krebsart oft eine gute Prognose hat, fühlt man sich in diesem Alter nicht bereit, sich mit diesem beängstigenden Wort auseinanderzusetzen. Denn es steht für Unsicherheit und Angst. Das empfand Magda, heute 39 Jahre alt, als die Diagnose gestellt wurde. Fünfzehn Jahre später, während sie ein Fotoalbum über ihre letzte 3500 km lange Reise durch Namibia vorbereitet, erzählt sie von ihrem Lebensweg, der von der Krankheit und dem Wunsch geprägt ist, weiterhin ein erfülltes Leben zu führen.

Loading

Mehr lesen »

Prostatakrebs: was jeder Mann wissen sollte

Obwohl Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern ist, ist er immer noch mit vielen Vorurteilen verbunden. Dank Früherkennung und multidisziplinären Behandlungsmöglichkeiten haben sich die Aussichten auf Heilung für Betroffene erheblich verbessert. Entscheidend bleibt die richtige Aufklärung, die Männer dazu ermutigen soll, das Stigma rund um Prostatakrebs abzulegen und ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Interview befragten wir Dr. med. Berardino De Bari, Leiter der Abteilung für Radioonkologie am Neuenburger Spitalnetzwerk.

Loading

Mehr lesen »