Prostatakrebs: was jeder Mann wissen sollte

Dr. med. Berardino De Bari
Leiter der Abteilung für Radioonkologie am
Neuenburger Spitalnetzwerk

Obwohl Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern ist, ist er immer noch mit vielen Vorurteilen verbunden. Dank Früherkennung und multidisziplinären Behandlungsmöglichkeiten haben sich die Aussichten auf Heilung für Betroffene erheblich verbessert. Entscheidend bleibt die richtige Aufklärung, die Männer dazu ermutigen soll, das Stigma rund um Prostatakrebs abzulegen und ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Interview befragten wir Dr. med. Berardino De Bari, Leiter der Abteilung für Radioonkologie am Neuenburger Spitalnetzwerk. | Adeline Beijns

Dr. med. De Bari, können Sie uns erklären, was Prostatakrebs ist und in welchem Alter er am häufigsten auftritt?

Prostatakrebs entsteht, wenn sich die Zellen der Prostata, einer kleinen Drüse, die sich bei Männern unterhalb der Blase befindet, unkontrolliert vermehren und einen bösartigen Tumor bilden. In der Regel handelt es sich dabei um ein Adenokarzinom, das von den Zellen der Drüse ausgeht. Dieser Krebs entwickelt sich oft langsam, kann aber auch in aggressiveren Formen auftreten. Prostatakrebs betrifft vor allem ältere Männer und wird in den meisten Fällen nach dem 65. Lebensjahr diagnostiziert. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose liegt bei 70-75 Jahren. Dank Vorsorgeuntersuchungen, die mithilfe des PSA-Wertes, also dem Wert des prostataspezifischen Antigens im Blut durchgeführt werden, wird der Krebs immer früher entdeckt – manchmal schon ab dem 50. Lebensjahr. In jüngerem Alter tritt Prostatakrebs selten auf, das Risiko steigt mit dem Alter. Eine Erkrankung kann auch erblich bedingt sein.

Bei welchen Anzeichen sollte ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden?

In den frühen Stadien verläuft Prostatakrebs oft symptomfrei, weshalb die Früherkennung von entscheidender Bedeutung ist. Wenn die Krankheit fortschreitet, können bestimmte Symptome wie Schwierigkeiten beim Wasserlassen, ein schwacher oder unterbrochener Harnstrahl, häufiger Harndrang oder das Gefühl einer unvollständigen Entleerung der Blase auftreten. Auch Blut im Urin kann ein Anzeichen für eine lokal fortgeschrittene onkologische Erkrankung sein. Prostatakrebs wird auch an Symptomen wie beispielsweise Knochenschmerzen erkannt, die bereits auf Metastasen hinweisen.

Wie werden Untersuchungen zur Früherkennung von Prostatakrebs durchgeführt und ab welchem Alter werden sie empfohlen?

Die Früherkennung basiert hauptsächlich auf zwei medizinischen Massnahmen: dem Bluttest auf das prostataspezifische Antigen (PSA) und der rektalen Untersuchung (DRU). Der PSA-Wert misst die Menge des bestimmten Proteins, das von der Prostata produziert wird. Ein hoher PSA-Wert kann auf Krebs hinweisen, aber auch ein Anzeichen für eine andere Erkrankung wie beispielsweise eine Entzündung sein. Mithilfe der DRU untersucht der Arzt/ die Ärztin die Prostata physisch auf Auffälligkeiten. Je nach Ergebnis können weitere Untersuchungen wie eine Kernspintomographie oder Biopsien erforderlich sein.

Für Risikopatient:innen, die bereits in der Vergangenheit Schwierigkeiten beim Wasserlassen hatten und/oder bei denen eine genetische Vorbelastung besteht, wird das Screening in der Regel ab dem 50. Lebensjahr empfohlen. Da der PSA-Test manchmal zu einer Überdiagnose führt, sollten Patient:innen und Ärzt:innen gemeinsam die Vor- und Nachteile einer solchen Behandlung besprechen. Ziel ist es, die Krankheit in einem frühen Stadium zu erkennen, da sie dann einfacher zu behandeln ist.

Kann man Prostatakrebs vorbeugen?

Nein, da er Teil des natürlichen Alterungsprozesses der Prostatadrüse ist.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Die Wahl der Behandlungsmethoden hängt vom Krebsstadium ab, das in drei Hauptgruppen eingeteilt werden kann. Bei lokalisiertem, also auf die Prostata beschränktem Krebs, sind die wichtigsten Optionen die Operation und die Strahlentherapie. Diese Behandlungen haben sich als gleich wirksam erwiesen und zielen darauf ab, den Tumor zu beseitigen und gleichzeitig die Lebensqualität so gut wie möglich zu erhalten. Bei lokal fortgeschrittenem Krebs, bei dem sich der Tumor über die Prostata hinaus ausgebreitet hat oder die Lymphknoten im Becken befallen sind, ist oft ein multimodaler Ansatz erforderlich. Dies kann eine Kombination aus Operation, Strahlentherapie und Hormontherapie umfassen. Die Hormontherapie senkt den Testosteronspiegel bremst damit das Fortschreiten des Tumors.

Bei metastasierendem Krebs, also mit Fernmetastasen in den Knochen oder anderen Organen, sind die Hormontherapien der ersten und zweiten Generation, manchmal in Kombination mit Chemotherapie, die Grundpfeiler der Behandlung. Die Therapie ist individuell und wird in einem multidisziplinären Team durchgeführt. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen können so klinische Ergebnisse optimiert werden, zum anderen werden das Krankheitsstadium sowie Begleiterkrankungen und die individuellen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigt.

Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es im Falle eines wiederkehrenden Krebsbefalls nach einer anfänglichen Strahlentherapie? Können Sie die falsche Annahme, dass eine Operation zur Behandlung nicht in Frage kommt, klarstellen?

Prostatakrebs, der nach einer Bestrahlungstherapie erneut auftritt, stellt Patient:innen zwar vor eine komplexe Situation, ist aber keineswegs unbehandelbar. Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass eine Operation als nächster Behandlungsschritt ausgeschlossen sei. Für bestimmte Patient:innen, bei denen erneut Metastasen auftreten, die sich aber ansonsten in guter allgemeiner Gesundheit befinden, ist eine Operation nach einer Strahlentherapie durchaus eine Option. Obwohl sie technisch weitaus anspruchsvoller ist und ein höheres Risiko für Nebenwirkungen mit sich bringt als die Entfernung der Prostata von Behandlungsbeginn an – insbesondere im Hinblick auf schwere Harninkontinenz, Erektionsstörungen und lokale Infektionen – bleibt sie eine wichtige Möglichkeit.

Über die Operation hinaus gibt es eine Reihe weiterer Behandlungsmöglichkeiten. Mit fokalen Therapien wie hochintensivem, fokussiertem Ultraschall kann der wiederkehrende Tumor gezielt bekämpft werden, während das gesunde Gewebe erhalten bleibt. Die Nachbestrahlung durch Brachytherapie oder stereotaktische Strahlentherapie ist eine weitere präzise und sehr wirksame Methode, die hohe Strahlendosen auf das Rückfallgebiet abgibt. Je nach Fall kommen auch hormonelle oder systemische Behandlungen in Frage. Ein multidisziplinärer Ansatz ist für die individuelle Anpassung der Strategie von entscheidender Bedeutung. Es ist wichtig zu wissen, dass im Falle eines wiederkehrenden Befalls weitere Behandlungsoptionen zu Verfügung stehen: Es gibt immer neue Wege, die erforscht werden.

Eine letzte Nachricht an unsere Leser:innen?

Die Behandlung von Prostatakrebs haben in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und bieten grössere Erfolgschancen und die Möglichkeit für eine bessere Lebensqualität. Nehmen Sie sich die Zeit, eine:n Urolog:in und Radio-onkolog:in zu konsultieren, um den für Sie am besten geeigneten Ansatz und die richtige Behandlung zu finden.

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