Mehr Menschlichkeit und Effizienz durch vernetzte Versorgung

Esthelle Le Gallic
CEO von VIVA Health Suisse

Integrierte Versorgung ist mehr als ein Schlagwort – sie steht für ein Gesundheitssystem, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Mit dem integrierten Versorgungsmodell VIVA verfolgt das Swiss Medical Network einen ganzheitlichen Ansatz, der Hausärzt:innen, Fachspezialist:innen und Spitäler miteinander verbindet. Im Interview erklärt Esthelle Le Gallic de Kerizouët, CEO von VIVA Health Suisse, wie dieses Konzept den Alltag von Patient:innen spürbar verändert – und warum Zusammenarbeit der Schlüssel für Qualität und Vertrauen ist.

Was versteht man unter «integrierter Versorgung» genau – und weshalb gewinnt dieses Konzept im modernen Gesundheitssystem immer mehr an Bedeutung?

Integrierte Versorgung bedeutet, dass Menschen im Gesundheitssystem nicht mehr allein ihren Weg suchen müssen. Hausärzt:innen, Spezialist:innen und Spitäler arbeiten eng zusammen, tauschen Informationen aus und begleiten Patient:innen gemeinsam. Mit unserem Modell VIVA schaffen wir eine Versorgung, die sich am tatsächlichen Bedarf orientiert – nicht an der Menge der erbrachten Leistungen. Entscheidend ist, dass die richtige Fachperson zur richtigen Zeit das Richtige tut – für mehr Qualität, Effizienz und Menschlichkeit im Gesundheitswesen.

Wie kann eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausärzt:innen, Fachspezialist:innen und Kliniken dazu beitragen, den Weg durch das Gesundheitssystem für Patient:innen einfacher und effizienter zu gestalten?

Die enge Zusammenarbeit sorgt dafür, dass Informationen fliessen, Doppeluntersuchungen vermieden und Wartezeiten verkürzt werden. Ein zentrales Element sind unsere Gesundheitskoordinator:innen – erfahrene Fachpersonen, die den gesamten Behandlungsprozess begleiten und den Überblick behalten. Sie stellen sicher, dass Patient:innen sich im System nicht verlieren, sondern sich auf das Wesentliche konzentrieren können: ihre Genesung und ihr Wohlbefinden.

Welche konkreten Vorteile erleben Patient:innen im Alltag, wenn ihre Behandlung innerhalb eines solchen vernetzten Versorgungsmodells erfolgt?

Bei VIVA sprechen wir von Mitgliedern statt Patient:innen – weil wir Menschen nicht nur im Krankheitsfall begleiten, sondern auch dann, wenn sie gesund sind. Wir fördern Prävention, Früherkennung und Gesundheitskompetenz im Alltag. Das Ergebnis ist spürbar: weniger Bürokratie, klar abgestimmte Therapien, vertraute Ansprechpersonen und eine kontinuierliche Betreuung. Wir übernehmen Verantwortung für die Gesundheit unserer Mitglieder – gemeinsam, jeden Tag.

Was verändert sich für eine Person ganz praktisch, wenn sie Teil eines integrierten Versorgungsnetzwerks ist – im Vergleich zu einer klassischen, eher isolierten Behandlung?

Eine Person im VIVA-Netzwerk hat eine zentrale Begleitperson – die Gesundheitskoordinatorin oder den Gesundheitskoordinator. Diese Person organisiert Termine, koordiniert Überweisungen und sorgt dafür, dass Informationen zwischen allen Fachpersonen fliessen. So entsteht ein Gefühl der Sicherheit: man weiss, dass jemand den Überblick behält und sich kümmert. Das entlastet und schafft Raum für das, was wirklich zählt – die eigene Gesundheit.

Wie stellen Sie sicher, dass alle beteiligten Fachpersonen optimal miteinander kommunizieren und relevante Informationen nicht verloren gehen – gerade bei komplexen Krankheitsverläufen?

Wir arbeiten mit modernen digitalen Plattformen, klar definierten Kommunikationswegen und regelmässigen interdisziplinären Fallbesprechungen. Jede Gesundheitskoordinatorin hat Zugriff auf die relevanten Informationen und sorgt dafür, dass der Informationsfluss funktioniert – damit die Verantwortung nicht mehr bei den Patient:innen selbst liegt. Kommunikation wird so zu einem aktiven Bestandteil der Behandlung. 

Können Sie aus Ihrer Erfahrung ein Beispiel nennen, bei dem integrierte Versorgung den Krankheitsverlauf oder die Lebensqualität einer Patientin oder eines Patienten deutlich verbessert hat?

Ein Beispiel ist eine ältere Frau mit mehreren chronischen Erkrankungen. Früher hatte sie viele unkoordinierte Arzttermine und wiederholte Spitaleinweisungen. Seit sie Teil des VIVA-Netzwerks ist, wird ihr Gesundheitszustand regelmässig von einem interprofessionellen Team überprüft. Die Medikation wurde angepasst, unnötige Hospitalisationen konnten vermieden oder – wenn nötig – dank unseres Hospital-at-Home-Teams zu Hause durchgeführt werden. Heute sagt sie: «Ich fühle mich endlich sicher und verstanden.»

Welche Rolle wird integrierte Versorgung Ihrer Einschätzung nach in Zukunft spielen – könnte sie zur neuen Standardform der medizinischen Betreuung in der Schweiz werden?

Integrierte Versorgung ist keine Mode, sondern eine logische Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems. Sie stärkt Qualität, Kontinuität und Menschlichkeit – genau das, was viele Menschen sich wünschen. 

Damit solche Modelle ihre volle Wirkung entfalten können, braucht es aber auch strukturelle Reformen: einfachere Schnittstellen, gemeinsame Verantwortung und neue Formen der Zusammenarbeit. Wenn wir das schaffen, wird integrierte Versorgung zur Selbstverständlichkeit – und zur besten Garantie für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung in der Schweiz. 

Traditionnelle Erstattung
  • Zahlungen nach vorher festgelegten Tarifen für jede Handlung 
  • Unterschiedliche Interessen von Versicherungen und Leistungserbringern 
  • Basierend auf der Menge 
  • Anreize zur Überbehandlung von Patient:innen, um den Gewinn zu steigern 
  • Risiko bei den Versicherungen
Integrierte Versorgung
  • Feste und vorher festgelegte Zahlungen pro Mitglied und Bevölkerung
  • Versicherungen und Leistungserbringer sind eins 
  • Basierend auf der Qualität
  • Anreize zur Prävention, um Kosten zu senken
  • Risiko bei der Versorgungsorganisation

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Wenn das Tempo nicht mehr passt

Julie Cartwright, 43, war schon immer ein Mensch voller Energie. Zehn Jahre lang trainierte sie Kampfsport,
später spezialisierte sie sich auf Luftakrobatik. Daneben absolvierte sie ihr Masterstudium, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin und gründete mit einer befreundeten Person ein eigenes Luftakrobatik-Studio. Alles war in Bewegung, sie funktionierte perfekt im Hochleistungsmodus: körperlich, beruflich und mental.

Loading

Mehr lesen »

Familienerbe Migräne

Juliette, 52, hat ein bewegtes Leben. Als Französischlehrerin an einem Gymnasium, Mutter von zwei Teenagerinnen und Besitzerin von zwei kleinen Hunden, die jeden Tag ausgeführt werden wollen, verkörpert sie überströmende Energie und eine tiefe Liebe zu ihren Mitmenschen. Doch im Schatten ihres aktiven Lebens lastet eine unsichtbare, allgegenwärtige Bürde auf ihren Schultern: die Migräne.

Loading

Mehr lesen »

Wenn der Bauch den Kopf mitbestimmt: Migräne und Darm

Migräne ist weit mehr als ein reiner Kopfschmerz – sie betrifft oft den ganzen Körper. Besonders der Magen-Darm-Trakt scheint bei vielen Betroffenen eine wichtige Rolle zu spielen. Übelkeit, Erbrechen oder Bauchschmerzen sind bekannte Begleiter. Neue Erkenntnisse zeigen: Der Darm könnte mehr Einfluss auf Migräne haben, als bisher gedacht. Was das bedeutet und wie man diesen Zusammenhang positiv nutzen kann, lesen Sie in diesem Artikel.

Loading

Mehr lesen »

CGM und ärztliche Betreuung: die Schlüssel zu mehr Lebensqualität mit Diabetes

Typ-2-Diabetes ist eine chronische Erkrankung, von der Millionen Menschen betroffen sind. Doch jeder Verlauf ist einzigartig. Die 60-jährige Kauffrau Christine C. erzählt von ihren Erfahrungen seit der Diagnose vor 20 Jahren. Dabei berichtet sie von alltäglichen Herausforderungen, der Entwicklung neuer Technologien wie des Sensors zur kontinuierlichen Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring, CGM) und entsprechender ärztlicher Betreuung. Sie erzählt aber auch, wie sie gelernt hat, mit ihrer Diabeteserkrankung umzugehen und gleichzeitig ihre Lebensqualität zu bewahren.

Loading

Mehr lesen »

Wenn kleine Wunden grosse Folgen haben

Der diabetische Fuss ist eine schwerwiegende Komplikation bei Menschen mit Diabetes, die oft zu spät erkannt wird. Die Erkrankung kann schleichend beginnen und lange unbemerkt bleiben. Chronische Wunden, Infektionen und Amputationen lassen sich jedoch mit der richtigen Vorsorge und frühzeitigen Behandlung in vielen Fällen verhindern. Neben der medizinischen Versorgung spielen Prävention, interdisziplinäre Zusammenarbeit und das Bewusstsein der Betroffenen eine zentrale Rolle. Im Gespräch gibt Dr. med. Hans Brunner (https://www.drbrunner.ch), Spezialist für den diabetischen Fuss, Einblick in die Vielschichtigkeit dieser Erkrankung und schildert die aktuellen Herausforderungen in der Versorgung.

Loading

Mehr lesen »

Fermentierte Lebensmittel – viel mehr als (nur) Geschmack

Sagt Ihnen das was? Fermentierte Lebensmittel sind im Trend. Doch Fermentation ist kein neuer Hype, sondern ein jahrtausendealtes Verfahren zur Konservierung und Geschmacksbildung von Speisen, lange bevor wir über Kühlschränke verfügten. Heute wissen wir: Fermentation kann weit mehr, als nur Lebensmittel haltbar zu machen. Sie erzeugt lebende Mikroorganismen und diese wiederum eine Fülle bioaktiver Verbindungen, die unser Wohlbefinden unterstützen können.

Loading

Mehr lesen »