Augenblicke der Hoffnung: moderne Techniken bei Netzhauterkrankungen

Prof. Dr. med. Matthias Becker
Chefarzt und Leiter Forschungszentrum
Augenklinik ins Stadtspital Zürich Triemli

Netzhauterkrankungen stellen hohe Anforderungen an Diagnostik und chirurgische Präzision. Gerade in diesem Bereich der Augenheilkunde hat sich in den letzten Jahren viel getan. Welche Entwicklungen diesen Wandel prägen, wie sich die operative Praxis verändert hat und welche Rolle dabei die Perspektive der Patientinnen und Patienten spielt, darüber spricht Prof. Dr. med. Matthias Becker, Chefarzt und Leiter Forschungszentrum Augenklinik, Stadtspital Zürich Triemli, im Interview. | Noémie Aeschlimann

Inwiefern hat die Netzhautchirurgie bei Erkrankungen wie Netzhautablösung oder Makulaforamen in den letzten Jahren eine technologische Revolution erlebt?

Die Fortschritte sind tatsächlich bemerkenswert. Inzwischen stehen uns Mikroinstrumente zur Verfügung, mit denen wir deutlich schonender und präziser arbeiten können als früher. Gleichzeitig hat die Bildgebung enorme Sprünge gemacht, insbesondere durch die optische Kohärenztomografie (OCT), die uns eine exakte Darstellung der Netzhautstrukturen in Echtzeit liefert. Auch die Lasertechnik hat sich weiterentwickelt und ist heute deutlich gezielter einsetzbar. All diese Innovationen ermöglichen es uns, Eingriffe mit grösserer Sicherheit, kürzerer Dauer und höheren Erfolgsraten durchzuführen. Selbst bei komplexen Krankheitsbildern lässt sich heute oft ein stabiles Ergebnis erzielen, das früher nicht möglich gewesen wäre. 

Wie hat sich dabei gleichzeitig die Erfahrung für die Patientinnen und Patienten verändert?

Tatsächlich ist der Eingriff für die Betroffenen heute deutlich weniger belastend als noch vor einigen Jahren. Dank minimalinvasiver Techniken sind die Schnitte kleiner, das Gewebe wird geschont, und es kommt seltener zu postoperativen Beschwerden. Die verkürzte Operationsdauer reduziert zusätzlich das Risiko von Komplikationen und trägt dazu bei, dass sich viele Patientinnen und Patienten schneller erholen. Auch die Anästhesie ist gezielter und besser verträglich geworden, was vor allem für ältere oder vorerkrankte Personen ein grosser Vorteil ist. Hinzu kommt eine verbesserte postoperative Betreuung, die individueller gestaltet wird und Patientinnen und Patienten mehr Sicherheit gibt. Die gesamte Erfahrung rund um den Eingriff ist strukturierter, verständlicher und oft auch angstfreier geworden.

Wird die Netzhautchirurgie ähnlich wie die Kataraktoperation langsam zur Routine?

Ein Vergleich mit der Kataraktchirurgie liegt nahe, ist aber nur bedingt gerechtfertigt. Während die Kataraktoperation heute zu den häufigsten und routiniertesten Eingriffen in der Augenheilkunde zählt, bleibt die Netzhautchirurgie technisch anspruchsvoll und erfordert spezialisierte ärztliche Erfahrung. 

Allerdings sehen wir eine klare Zunahme an durchgeführten Netzhauteingriffen, was unter anderem auf die bessere technische Ausstattung und standardisierte Abläufe zurückzuführen ist. Dadurch ist der Eingriff häufiger geworden und lässt sich in spezialisierten Zentren mit einer gewissen Regelmässigkeit durchführen.

Welche Sehverbesserungen kann man nach solchen Eingriffen erwarten,  auch bei schwierigen Fällen?

Die Möglichkeiten, das Sehvermögen nach einem Netzhauteingriff zu verbessern, sind heute besser denn je. Ziel ist in der Regel, die anatomische Struktur der Netzhaut wiederherzustellen, Flüssigkeitsansammlungen zu reduzieren und dadurch die visuelle Funktion zu stabilisieren oder zu verbessern. 

Bei frühzeitig diagnostizierten Erkrankungen sind die Erfolgsaussichten besonders gut. Aber auch in komplexeren Fällen – etwa bei lang bestehenden Makulalöchern oder komplizierten Netzhautablösungen – kann der Eingriff häufig zumindest einen Erhalt oder eine Verbesserung der Sehschärfe bewirken. Entscheidend ist dabei auch die individuelle Heilungsfähigkeit der Netzhaut und das genaue Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Operation.

Wo liegen trotz aller Fortschritte die Grenzen oder Risiken dieser Operationen?

So erfreulich die technischen Entwicklungen sind, gewisse Risiken bleiben bestehen. Zu den häufigsten Komplikationen zählen eine erneute Netzhautablösung, postoperative Infektionen oder auch narbige Veränderungen wie die sogenannte Makulafibrose. 

Die Heilung verläuft sehr individuell und ist unter anderem abhängig vom Alter der Patientin oder des Patienten, von Vorerkrankungen und vom Ausmass der ursprünglichen Netzhautschädigung. Deshalb ist es wichtig, im Vorfeld realistische Erwartungen zu besprechen und über mögliche postoperative Einschränkungen aufzuklären. Auch die Nachsorge spielt eine entscheidende Rolle: Regelmässige Kontrollen und eine sorgfältige Beobachtung des Heilungsverlaufs sind essenziell, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Ihr letztes Wort?

Die Netzhautchirurgie hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Die Kombination aus moderner Technologie, besserer Bildgebung und zunehmender operativer Erfahrung ermöglicht heute Eingriffe mit einer deutlich höheren Erfolgswahrscheinlichkeit als früher. 

Trotzdem ist jeder Fall individuell. Entscheidend für ein gutes Ergebnis bleibt die persönliche ärztliche Beratung, die Berücksichtigung der jeweiligen Krankengeschichte und eine engmaschige Nachsorge. Nur so lassen sich langfristig stabile und für die Patientinnen und Patienten zufriedenstellende Resultate erzielen. 

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