Zwangsstörungen: Wenn Rituale den Verstand beherrschen

Zwangsstörungen

Zwangsstörungen (Obsessive-Compulsive Disorder, kurz: OCD) betreffen weltweit Millionen von Menschen. Doch aufgrund von Stigmatisierung und Unverständnis bleiben sie oft im Verborgenen. Dabei sind diese Störungen weit mehr als nur eine «Manie» und können den Alltag der Betroffenen stark beeinträchtigen. | Adeline Beijns

Ein zwanghafter Kreislauf

Zwangsstörungen sind durch Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gekennzeichnet: Zwangsgedanken sind sich wiederholende, aufdringliche Gedanken, die starke Ängste auslösen, Zwangshandlungen hingegen sind sich wiederholende Handlungen, die diese Ängste lindern sollen. Solche Verhaltensweisen können schnell überhandnehmen. Es gibt verschiedene Arten von Zwangsstörungen: Angst vor Ansteckung, das Bedürfnis nach wiederholter Kontrolle, zwanghaftes Anhäufen von Dingen oder auch gedankliche Zwänge wie blasphemische Gedanken. Jede:r Betroffene erlebt die Störung individuell.

Einige Zahlen

Etwa 1-2% der Weltbevölkerung sind irgendwann in ihrem Leben davon betroffen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen 19 und 20 Jahren, wobei etwa 25% der Fälle vor dem 14. Lebensjahr auftreten. Männer und Frauen sind gleichermassen betroffen, wobei Männer tendenziell früher erkranken¹.

Komplexe Ursachen einer multifaktoriellen Erkrankung

Die Ursachen von Zwangsstörungen sind nicht vollständig geklärt, scheinen aber auf einer Kombination mehrerer Faktoren zu beruhen. Genetische Einflüsse spielen eine wichtige Rolle, wobei häufig eine familiäre Veranlagung festgestellt wird. Ungleichgewichte der Neurotransmitter, insbesondere des Serotonins, spielen ebenfalls eine Rolle. Darüber hinaus können auch traumatische Ereignisse oder Zeiten starker psychischer Belastung die Symptome auslösen oder verstärken.

Wenn das Alltägliche zur Herausforderung wird

Zwangsstörungen können einfache Aufgaben in eine mühsame Herausforderung verwandeln. Ein harmloses morgendliches Ritual kann sich über Stunden hinziehen. Arbeit, soziale Beziehungen und sogar Freizeitaktivitäten werden oft beeinträchtigt, was zu Isolation und einer Verschlechterung der Lebensqualität führt. Obwohl sich die Betroffenen ihrer irrationalen Verhaltensweisen bewusst sind, fühlen sie sich ihrer Störung oft hilflos ausgeliefert.

Auf dem Weg zu einer adäquaten Behandlung

Zwangsstörungen können durch eine geeignete Behandlung gelindert werden. Besonders wirksam ist die kognitive Verhaltenstherapie, die den Betroffenen hilft, ihre Denkmuster zu verstehen und zu verändern. Auch bestimmte Medikamente können die Intensität der Symptome verringern. Eine frühzeitige Behandlung verbessert dabei die Prognose deutlich.

Zwangsstörungen verstehen statt fürchten

Zwangsstörungen sind weit mehr als eine «Manie› oder eine «kleine Marotte»: Sie stellen für die Betroffenen einen täglichen Kampf dar. Mit der richtigen Unterstützung und einem besseren Verständnis ihrer Störung können Menschen mit Zwangsstörungen jedoch lernen, ein ruhigeres Leben zu führen. Jeder Schritt ist wichtig, um die psychische Belastung zu verringern und die Betroffenen wieder in die Lage zu versetzen, am täglichen Leben teilzunehmen.

 

 

Referenz: 1. https://www.msdmanuals.com/fr/professional/troubles-psychiatriques/troubles-obsessionnels-compulsifs-et-troubles-similaires/trouble-obsessionnel-compulsif-toc

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