Wenn der Körper sich umstellt

Dr. med. Kathrin Kern
Dr. med. Kathrin Kern

Viele Frauen merken es an Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder Hitzewallungen: Der Körper stellt sich um. Aber was genau passiert in dieser Zeit? Was hilft gegen die Beschwerden und wann könnte auch Testosteron eine Rolle spielen? Im Interview teilt Dr. med. Kathrin Kern, Fachärztin FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe, ihre Einschätzungen und Erfahrungen. | Noémie Aeschlimann

Welche Haupthormone sind an der Perimenopause und der Menopause beteiligt und wie verändern sie sich ?

Hauptsächlich sind es die Östrogene, insbesondere das Östradiol. In der frühen Phase der Perimenopause schwankt der Östradiolspiegel stark, in der späteren Phase sinkt er dann deutlich ab. Aber das erste Hormon, das sinkt, ist das Progesteron, das sogenannte Gelbkörperhormon. Die Hormone der Hirnanhangsdrüse, FSH und LH, steigen dagegen an.

Wichtig ist: Die hormonelle Umstellung passiert nicht von einem Tag auf den anderen. Es geht langsam und mit vielen Schwankungen. Auch Testosteron spielt bei Frauen eine Rolle und sinkt eher langsam über die Jahre hinweg.

Welche Symptome sind typisch für die Perimenopause und wie lässt sich diese Phase von der Menopause unterscheiden?

Die Perimenopause ist die eigentliche Umstellungszeit. Die Menopause selbst ist nur ein einziger Tag, nämlich der Tag der letzten Periode, wenn danach ein Jahr lang keine Blutung mehr kommt. In der frühen Perimenopause bemerken viele Frauen Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Auch das prämenstruelle Syndrom kann sich verstärken. Manche Frauen sind müde, erschöpft oder bemerken, dass der Zyklus kürzer wird. In der späteren Phase kommen dann Beschwerden wie Hitzewallungen, Gelenkschmerzen oder Herzrasen hinzu. Und viele Frauen stellen fest, dass sie plötzlich leichter zunehmen.

Welche Rolle spielt Testosteron bei Frauen in der Perimenopause oder Menopause und in welchen Fällen kann eine Supplementierung in Betracht gezogen werden?

Frauen produzieren ebenfalls Testosteron. Es ist nicht nur für die Libido wichtig, sondern spielt auch eine Rolle für Energie, Muskelkraft und die Gesundheit der Knochen. Im Gegensatz zu Östrogen und Progesteron sinkt der Testosteronspiegel bei Frauen nicht plötzlich, sondern schrittweise mit dem Alter. Nach heutigem Wissensstand ist Testosteron vor allem bei belastendem Libidomangel von Bedeutung. Der Nutzen in anderen Bereichen wie Stimmung oder Energie ist bislang wenig erforscht.

Wichtig ist ausserdem, dass der Testosteronspiegel vor einer möglichen Therapie im Blut bestimmt und später kontrolliert wird. In der Praxis äussern viele Patientinnen ein Interesse an diesem Thema, aber eine Behandlung sollte sorgfältig geprüft werden. Frauen sollten darüber informiert sein, dass in der Schweiz kein Testosteronpräparat für Frauen von Swissmedic zugelassen ist. Es kann zwar als Magistralrezeptur individuell in der Apotheke hergestellt werden, wird aber nicht von der Krankenkasse bezahlt. Langzeitdaten zu Risiken und Nebenwirkungen fehlen.

Welche nicht-hormonellen Ansätze können helfen, die Symptome der Menopause zu lindern?

Der Lebensstil spielt eine zentrale Rolle: Übergewicht begünstigt starke Hitzewallungen. Gesunde Ernährung, Bewegung, wenig Alkohol und kein Tabak lohnen sich. Es gibt auch pflanzliche Mittel, die gegen Beschwerden helfen können, zum Beispiel Traubensilberkerze oder Sojaprodukte, wobei letztere nicht bei Brustkrebsvorgeschichte empfohlen werden.

Ausserdem gibt es nicht-hormonelle Medikamente, die speziell gegen Hitzewallungen wirken. Manche Antidepressiva oder Mittel gegen Bluthochdruck können ebenfalls helfen, werden aber eher selten und off label eingesetzt. Wenn Beschwerden ausschliesslich im Intimbereich auftreten, etwa Trockenheit, können lokale Östrogene in Form von Cremes oder Vaginalovula angewendet werden. Auch Methoden wie Akupunktur oder kognitive Verhaltenstherapie können Linderung bringen.

Die Menopause markiert also einen wichtigen Umbruch für Körper, Stoffwechsel und Gesundheit. Umso wichtiger sind frühzeitige Information, keine Angst und das Erkennen der Chancen, denn eine Hormonersatztherapie ist besser als ihr Ruf. Zentral ist ein gesunder Lebensstil. Frauen verdienen eine fundierte Beratung, und Ärzt:innen sollten entweder selbst gut informiert sein oder gezielt an Fachpersonen überweisen.

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