Wenn der Bauch den Kopf mitbestimmt: Migräne und Darm

Migräne ist weit mehr als ein reiner Kopfschmerz – sie betrifft oft den ganzen Körper. Besonders der Magen-Darm-Trakt scheint bei vielen Betroffenen eine wichtige Rolle zu spielen. Übelkeit, Erbrechen oder Bauchschmerzen sind bekannte Begleiter. Neue Erkenntnisse zeigen: Der Darm könnte mehr Einfluss auf Migräne haben, als bisher gedacht. Was das bedeutet und wie man diesen Zusammenhang positiv nutzen kann, lesen Sie in diesem Artikel. | Natacha Beneva

Was ist Migräne – und warum betrifft sie nicht nur den Kopf?

Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende, oft einseitige Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Die Attacken können mehrere Stunden bis hin zu Tagen dauern und werden meist von Begleiterscheinungen wie Licht- und Lärmempfindlichkeit, Übelkeit oder sogar Erbrechen begleitet.

Besonders bei Kindern kann Migräne auch in ungewöhnlicher Form auftreten: mit Bauchschmerzen, ohne klassischen Kopfschmerz – die sogenannte abdominelle Migräne. Das zeigt: Migräne ist eine komplexe Erkrankung, bei der das Gehirn mit anderen Organsystemen eng zusammenarbeitet. Und eines dieser Systeme, das immer mehr Aufmerksamkeit bekommt, ist der Magen-Darm-Trakt.

Der Bauch und das Gehirn – ein starkes Team

Zwischen dem Gehirn und dem Magen-Darm-Trakt gibt es eine intensive Kom- munikation. Fachleute sprechen von der «Darm-Hirn-Achse». Diese Verbindung sorgt nicht nur dafür, dass wir bei Stress Bauchschmerzen bekommen, sondern beeinflusst auch unser Wohlbefinden, unsere Stimmung und sogar Schmerzen.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das sogenannte Darmmikrobiom – also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Verdauungstrakt. Diese kleinen Mitbewohner produzieren Botenstoffe wie Serotonin, die direkt auf das Nervensystem wirken können. Bei Migränepatient:innen zeigen Studien, dass das Mikrobiom verändert sein kann – und dass dies womöglich zur Entstehung von Migräne beiträgt.

Warum Magen und Kopf zusammen schmerzen?

Dass der Magen-Darm-Trakt bei Migräne eine Rolle spielt, merken viele schon während der Attacke: Übelkeit und Erbrechen sind klassische Begleitsymptome. Doch es gibt noch mehr Hinweise auf den Zusammenhang: Migräne tritt überdurchschnittlich häufig bei Menschen mit Reizdarm, Zöliakie oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf. Auch Infektionen wie mit Helicobacter pylori könnten eine Rolle spielen.

Der Verdacht: Entzündungen oder eine gestörte Darmbarriere führen über die Darm- Hirn-Achse zu einer Reaktion im Gehirn – mit der Folge einer Migräneattacke. Zudem ist ein bestimmtes Neuropeptid namens CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) während einer Migräne im Blut erhöht. Es wird nicht nur im Gehirn, sondern auch im Darm gebildet – eine weitere Verbindung zwischen Bauch und Kopf.

Was kann helfen? Ernährung, Probiotika und mehr

Die gute Nachricht: Wer auf seinen Darm achtet, könnte auch seine Migräne positiv beeinflussen. Erste Studien zeigen, dass sogenannte Synbiotika – eine Kombination aus nützlichen Bakterien (Probiotika) und Ballaststoffen (Präbiotika) – die Häufigkeit von Migräneanfällen reduzieren können.

Auch die Entzündungswerte im Körper besserten sich bei Teilnehmenden solcher Studien. Daneben kann eine ausgewogene, darmfreundliche Ernährung helfen: frisches Gemüse, ballaststoffreiche Vollkornprodukte, wenig Zucker und möglichst naturbelassene Lebensmittel. Wichtig ist ausserdem, auf die individuellen Auslöser zu achten: Bei manchen sind es bestimmte Lebensmittel wie Rotwein oder gereifter Käse, die Migräne fördern – hier kann ein Ernährungstagebuch helfen.

Selbstbewusst mit Migräne umgehen

Migräne ist eine ernstzunehmende Erkrankung, aber sie muss nicht das Leben bestimmen. Wer die eigenen Auslöser kennt, auf Warnsignale des Körpers achtet und sich aktiv mit der Erkrankung auseinandersetzt, kann viel Lebensqualität zurückgewinnen. Die Forschung zeigt: Migräne betrifft nicht nur das Gehirn, sondern den ganzen Menschen.

Wer dabei auch auf den Darm schaut, erschliesst sich neue Wege im Umgang mit der Erkrankung – und kann so aktiv zur eigenen Gesundheit beitragen. Unterstützend sind auch Entspannungsverfahren wie Yoga, Achtsamkeit oder autogenes Training hilfreich. Und nicht zuletzt: Der Austausch mit Fachpersonen und anderen Betroffenen hilft, die eigene Erkrankung besser zu verstehen und sich nicht allein zu fühlen.

Fazit

Der Zusammenhang zwischen Migräne und dem Verdauungstrakt wird immer klarer. Zwar steht die Forschung noch am Anfang, doch schon jetzt gibt es vielversprechende Hinweise, dass Veränderungen im Darm das Migränegeschehen beeinflussen können. Ernährung, gezielte Unterstützung des Mikrobioms und ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper können helfen, Migräne besser zu verstehen und zu bewältigen. Wer achtsam mit sich umgeht, kann den Einfluss der Erkrankung auf das eigene Leben deutlich reduzieren.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Albinismus: zwischen genetischem Rätsel und kulturellem Reichtum

Albinismus war lange Zeit von Mythen und Glaubensvorstellungen umgeben. Er zeichnet sich durch das Fehlen oder eine erhebliche Reduzierung der Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen aus. Über das äussere Erscheinungsbild hinaus wirft diese genetische Besonderheit wichtige Fragen im Hinblick auf das Sehvermögen und den Schutz vor Sonnenstrahlen auf. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte haben es ermöglicht, das Phänomen besser zu verstehen und die Versorgung der Betroffenen zu verbessern.

Loading

Mehr lesen »

Schläge, Stösse, Verbrennungen: Schützen Sie Ihre Augen!

Die Augen sind ebenso kostbare wie empfindliche Organe. Jährlich führen zahlreiche Unfälle zu unterschiedlich schweren Augenverletzungen. In vielen Fällen könnten diese Verletzungen durch gute Prävention und eine frühzeitige Diagnose verhindert oder zumindest begrenzt werden. Welche Symptome sind Alarmzeichen für eine schwerwiegende Augenverletzung? Welche Massnahmen sollten ergriffen werden und welche gilt es zu vermeiden? Um das herauszufinden, haben wir Dr. Alessandra Sansonetti, Fachärztin für Augenheilkunde und augenchirurgische Eingriffe sowie ehemalige Präsidentin der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG), getroffen. Sie teilt mit uns ihr Fachwissen über Augenverletzungen und gibt praktische Tipps, wie man im Falle eines Unfalls richtig reagiert.

Loading

Mehr lesen »

Stechender Schmerz, endlose Geduld: die Arnold-Neuralgie

Jacqueline, 64, ist eine lebenslustige Frau. Sie liest und näht leidenschaftlich gern und hat immer Zeit gefunden, Kostüme für ihre vier inzwischen erwachsenen Kinder zu nähen. Sie freut sich auf
die Geburt ihres zweiten Enkelkindes und liebt es, mit ihrem Mann zu reisen, wie sie es kürzlich in
Französisch-Polynesien getan hat. Doch hinter dieser Vitalität verbirgt sich ein langer und zermürbender Kampf gegen eine unsichtbare Krankheit: die Arnold-Neuralgie.

Loading

Mehr lesen »

Die Psychologie der Farben: Wenn das Auge die Stimmung formt

Die Farbpsychologie der Farben ist ein faszinierendes Gebiet, das untersucht, wie Farben unsere Emotionen, unser Verhalten und sogar unser Wohlbefinden beeinflussen. Es handelt sich nicht nur um eine dekorative Modeerscheinung: Seit Jahrhunderten verbinden Zivilisationen bestimmte Farben mit spezifischen Bedeutungen, sei es, um Königswürde, Frieden oder Leidenschaft zu symbolisieren. Im Alltag kann eine einfache Farbveränderung in der Umgebung den Geist beruhigen oder ein Gefühl von Energie wecken.

Loading

Mehr lesen »

Farbenblindheit: Wenn die Farben Verstecken spielen!

Farbenblindheit, auch Dyschromatopsie genannt, ist eine Farbsehstörung, die die Fähigkeit einer Person beeinträchtigt, bestimmte Farben «normal» zu unterscheiden. Diese Anomalie ist oft genetisch bedingt und betrifft hauptsächlich Männer aufgrund eines defekten Gens, das mit dem X-Chromosom verknüpft ist. Tatsächlich leiden etwa 8% der Männer und nur 0,5% der Frauen an einer Form der Farbenblindheit.

Loading

Mehr lesen »

Aufklärung über Schizophrenie

Schizophrenie ist nach wie vor eine der am wenigsten verstandenen psychischen Erkrankungen. Häufig mit Vorurteilen behaftet, weckt sie in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch unbegründete Ängste. Die komplexe Erkrankung betrifft etwa 1% der Bevölkerung und erfordert mehr Aufklärung, damit die Betroffenen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen.

Loading

Mehr lesen »