Unser Beckenboden – Mit dem richtigen Training zu (noch) mehr Lust

Ursina Steffen
Ursina Steffen

Stärkere Orgasmen, mehr Empfindsamkeit oder bessere Kontrolle beim Sex – ein trainierter Beckenboden beeinflusst unser Sexleben, und zwar für alle Geschlechter. Und das Beste? Lust wird lernbar! | Ursina Steffen, SRF Puls

Viele wissen nicht einmal, wo sich die Beckenmuskulatur genau befindet. Und doch spielt dieses Muskelgeflecht eine entscheidende Rolle für unser Lustempfinden und unsere Orgasmusfähigkeit. «Viele Menschen sind in der Sexualität stark auf das Gegenüber fixiert: ‹Mach mir die Lust›, lautet oft die unbewusste Haltung. Aber ein Teil der Sexualität ist lernbar – und der Beckenboden ist eine zentrale Schaltstelle», erklärt Janine Hug, die als Sexological Bodyworkerin arbeitet.

Wichtig – für Mann und Frau

Janine Hug vermittelt in Kursen fundiertes Wissen über den Beckenboden. Ziel ist es, die eigene Körpermitte zu stärken, wodurch die sexuelle Genussfähigkeit gesteigert werden kann. Für Menschen mit Penis sorgen sexuelle Reize dafür, dass Blut in die Schwellkörper im Penis fliesst – dieser richtet sich auf. Eine starke Beckenbodenmuskulatur ist entscheidend, denn sie schnürt die Gefässe ab, nur so bleibt das Glied steif.

Gut trainiert, kann eine gestärkte Beckenbodenmuskulatur auch einen vorzeitigen Samenerguss verhindern. Beim weiblichen Geschlecht steigert ein gut trainierter Beckenboden dank besserer Durchblutung die Empfindsamkeit. Die kräftige Muskulatur erhöht die Reibung und pulsiert stärker beim Orgasmus, was das sexuelle Erleben intensiviert.

Die Beckenschaukel

Wie aber trainiert man den Beckenboden? Das Zauberwort lautet: Variabilität. «Es geht nicht nur um Anspannung, sondern ebenso um bewusste Entspannung», erklärt Janine Hug. Eine klassische Übung ist die «Beckenschaukel»: Im Liegen wird das Becken weich hin und her bewegt, die Atmung vertieft sich, die Muskeln werden aktiviert und losgelassen – eine Bewegung, die sich direkt in die Sexualität übersetzen lässt.

Je älter, desto eher sind Männer mit Erektionsproblemen konfrontiert. Eine bewusste Auseinandersetzung kann kleine Wunder bewirken: «Die Erektion ist nicht mehr so häufig und fest wie vor 20 Jahren. Doch je mehr ich trainiere, umso besser funktioniert es», sagt Markus (50), der bei Janine Hug einen Kurs besucht hat.

Adieu Erektionsprobleme

Die persönlichen Erfahrungen decken sich mit Studienresultaten¹: Gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur kann bei Problemen wie Erektionsstörungen oder vorzeitigem Samenerguss helfen². Das Training gilt als einfache Methode, um sexuelle Beschwerden zu lindern. Doch Janine Hug ergänzt: «Ich mache keine Versprechen, dass eine Erektion dank Training einfach plötzlich stattfindet. Ich empfehle aber auch keine Pillen. Dass Menschen ihren Körper und ihren Intimbereich gut kennen, ist in jedem Fall wertvoll.»

Die Auseinandersetzung mit dem Beckenboden hilft oft, auch eigene Grenzen besser wahrzunehmen – gerade für Frauen ein wichtiges Thema, wie das Beispiel von Elisabeth (60) zeigt: «Ich hatte früher Schmerzen beim Sex und deshalb habe ich Sexualität vermieden. Schon der Gedanke daran hat Spannung erzeugt. Hier habe ich gelernt, was es bedeutet, zu entspannen. Das schafft Freiräume und ich traue mich, aktiv zu werden.» Die Botschaft ist klar: Lust ist lernbar. Der Weg zu erfüllter Sexualität führt oft viel tiefer, als man denkt – nämlich über den Beckenboden. Kein Wundermuskel, aber ein Fundament für ein selbstbestimmtes, lustvolles Liebesleben.

Was bringen Sex-Gadgets?

Es gibt viele Hilfsmittel rund um den Beckenboden, dazu gehören Trainingsgeräte wie Beckenbodentrainer oder Biofeedback-Geräte. Sie zeigen an, ob die Muskeln korrekt angespannt werden. Elektrostimulationsgeräte wiederum setzen elektrische Impulse zur Muskelaktivierung ein.

Zur Kräftigung und Entspannung zu Hause können Vaginal-/Analkugeln und Entspannungshilfen eingesetzt werden. Sogenannte Liebeskugeln oder Kegel-Kugeln werden vaginal oder anal eingeführt und dienen zur Muskelstärkung. Massagehilfen wie Faszienbälle hingegen sollen helfen, Verspannungen im Beckenbodenbereich zu lösen.

Bei Beschwerden wie beispielsweise starker Inkontinenz oder Organsenkungsbeschwerden kommen auch sogenannte Pessare zum Einsatz. Ein medizinisches Hilfsmittel, das in die Vagina eingeführt wird, um Beckenbodenbeschwerden zu behandeln. Es besteht meist aus Silikon oder Kunststoff und ist in verschiedenen Formen und Grössen erhältlich.

Diese werden allerdings mithilfe einer Gynäkologin angepasst. Beckenbodenspezialistin Yvonne Keller sagt zum Einsatz der Hilfsmittel: «Viele der Hilfsmittel sind Spielereien und nicht zwingend notwendig für die Stärkung des Beckenbodens.»

Beckenboden
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Wenn der Sommer summt

Mit Frühling und Sommer kommen die warmen Tage, die langen Abende und die perfekte Zeit für Outdoor-Abenteuer. Egal ob Grillpartys mit Freund:innen, entspannte Spaziergänge in der Natur oder ausgedehnte Wanderungen. Jetzt heisst es, die Sonne und die frische Luft in vollen Zügen zu geniessen. Der Sommer bietet all die angenehmen Dinge, auf die wir uns das ganze Jahr über freuen: Sonnenschein, entspannte Stunden im Freien und das Gefühl, den Alltag hinter sich zu lassen. Wäre da nicht eine kleine, summende Schattenseite: Mücken. 

Loading

Mehr lesen »

Wenn ein Glukosesensor Noisette zu Hilfe kommt

Jacqueline, 42 Jahre alt, hat sich schon immer als bedingungslose Tierliebhaberin betrachtet. Anfang Januar bemerkt sie, dass Noisette, einer ihrer mittlerweile 13½-jährigen Kater, ein ungewöhnliches Verhalten zeigt: Er trinkt immer mehr Wasser, scheint es unablässig zu fordern und wirkt beinahe besessen davon, stets Zugang zu Wasser zu haben. Beunruhigt über diesen ungewöhnlichen Durst vereinbart sie einen Termin beim Tierarzt, um Klarheit zu schaffen.

Loading

Mehr lesen »

Der Schlüssel zu einem gut verwalteten Diabetes

Diabetes betrifft Millionen von Menschen auf der ganzen Welt und die Behandlung dieser Krankheit hängt von einem feinen Gleichgewicht zwischen medizinischer Betreuung, Technologie und Patientenengagement ab. In Lausanne setzt Dr. med. Daniela Sofra, eine engagierte Endokrinologin und Diabetologin, auf Teamarbeit. In diesem Interview beleuchtet sie die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Hausärzt:innen und die bahnbrechende Rolle, die CGM-Sensoren (Continuous Glucose Monitoring) im Leben der Patient:innen spielen.

Loading

Mehr lesen »

Blitze, Punkte, Schatten: Wenn Ihre Augen Hilfe brauchen

Die Netzhaut spielt eine zentrale Rolle für unser Sehvermögen, doch sie ist empfindlich und kann sich in bestimmten Fällen ablösen. Eine Netzhautablösung kann unbehandelt zu schwerwiegenden Sehverlusten führen. Doch welche Ursachen gibt es? Welche Symptome sollten ernst genommen werden? Und welche Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir mit Frau Dr. med. Alice Kitay gesprochen. Sie erklärt, worauf Betroffene achten sollten und warum schnelles Handeln entscheidend ist.

Loading

Mehr lesen »

Ein harmloser Husten?

Walter Käser (82) lebt heute mit einem Husten, der nie vergeht. Was zunächst harmlos schien, wurde zu einem ständigen Begleiter und führte schliesslich zur Diagnose

Loading

Mehr lesen »