Präzision, Planung, Personalisierung: Wie Roboter die orthopädische Chirurgie verändern

Dr. med. Stefan Joss
Dr. med. Daniel De Menezes

Roboterassistierte Systeme halten zunehmend Einzug in die Operationssäle. In der orthopädischen Chirurgie unterstützen sie Ärzt:innen dabei, Eingriffe millimetergenau zu planen und durchzuführen. Dr. Stefan Joss aus Bern und Dr. Daniel De Menezes aus Biel, beide Belegärzte an der Privatklinik Siloah in Gümligen und mit eigener Praxis, berichten im Interview, wie sich die Technologie auf ihre tägliche Arbeit auswirkt. Auch Dr. Balz Aklin, Dr. Uwe Bierbach, Prof. Dr. Heiko Graichen, Dr. med. Christian Kehl , Dr. med. Andreas Schuster und Dr. med. Urs Summermatter arbeiten in der Privatklinik Siloah mit robotischen Assistenzsystemen. | Noémie Aeschlimann

Welche Eingriffe werden in Ihrer Klinik durch Robotik unterstützt?

Dr. med. Stefan Joss: Wir haben mit einem Roboter die Möglichkeit, verschiedene Gelenkoperationen durchzuführen. Dazu gehören Teil- und Totalprothesen im Kniegelenk sowie Hüftprothesen. Schultergelenke werden in Zukunft ebenfalls dazukommen. Die Technologie ist in diesem Bereich noch nicht so weit fortgeschritten, aber die Entwicklung läuft. Es braucht regelmässige Software- und Hardware-Up-dates, um die Systeme auf dem neusten Stand zu halten. Grundsätzlich setzen wir standardmässig auf roboterassistierte Verfahren und nur bei sehr komplexen Spezialfällen greifen wir noch auf die klassische Methode zurück.

Dr. med. Daniel De Menezes: Ich selbst verwende Robotik ausschliesslich für Teil- und Totalprothesen am Kniegelenk. Ich arbeite mit beiden Methoden, also mit und ohne Roboter, doch wenn es technisch möglich ist, wähle ich die Roboterunterstützung.

Wie verändert die technische Assistenz Ihre Herangehensweise an orthopädische Operationen?

Dr. med. Joss: Die Prinzipien der Operation bleiben gleich, aber der Roboter unterstützt mich während des Eingriffs mit Echtzeitdaten. Dadurch habe ich eine bessere Sicht auf das, was ich mache, und kann die individuelle Anatomie der Patient:innen besser berücksichtigen. Das ermöglicht präzisere Schnitte und eine höhere Reproduzierbarkeit der Eingriffe. Ohne Roboter arbeite ich mit Augenmass, mit Roboter bekomme ich eine zusätzliche Kontrolle.

Dr. med. De Menezes: Der grösste Vorteil der Robotik liegt für mich in der Möglichkeit, die Knochenschnitte auf 0,5 Millimeter oder 0,5 Grad genau zu planen und umzusetzen. Das menschliche Auge erkennt gerade Linien und 90-Grad-Winkel besonders gut, während es bei anderen Winkeln Schwierigkeiten hat, diese präzise einzuschätzen. Robotik erlaubt eine individuelle Anpassung an die Anatomie der Patient:innen und macht den Eingriff standardisierter und zugleich personalisierter.

Roboter orthopädische Chirurgie

Welchen konkreten Nutzen bringt Robotik den Patient:innen, etwa in Bezug auf Präzision, Genesung oder Komfort nach dem Eingriff?

Dr. med. Joss und Dr. med. De Menezes: Die erhöhte Präzision ist ein grosser Vorteil. Wir können die ursprüngliche Anatomie besser rekonstruieren, was zu einer höheren Genauigkeit beim Einsetzen der Prothesen führt. Das Ergebnis ist besser nachvollziehbar, was sowohl für uns als auch für die Patient:innen wichtig ist.

Erste Erfahrungen zeigen zudem eine tendenziell schnellere Erholung nach der Operation und weniger Schmerzen, wobei hier die Langzeitdaten noch fehlen. Unsere Hoffnung ist, dass sich mit dieser Technik die Patientenzufriedenheit langfristig erhöht.

Gibt es bestimmte Patient:innengruppen, für die sich der Einsatz besonders eignet?

Dr. med. Joss und Dr. med. De Menezes: Grundsätzlich profitieren alle, die ein künstliches Gelenk benötigen, von der erhöhten Präzision. Je genauer die Operation, desto besser das Ergebnis. Einschränkungen gibt es nur in sehr speziellen Fällen, zum Beispiel bei Menschen mit starken Fehlstellungen, mehreren Voroperationen oder alten Metallimplantaten. Dort kann es sein, dass der Einsatz von Robotik technisch noch nicht möglich oder zugelassen ist, doch für die grosse Mehrheit ist die Methode gut geeignet.

Welche Kriterien entscheiden, welches System bei einer Operation zum Einsatz kommt?

Dr. med. Joss: Es braucht eine sorgfältige klinische Untersuchung, ein Gespräch mit den Patient:innen sowie eine genaue Analyse der Röntgenbilder. Die Chirurgin oder der Chirurg entscheidet dann, ob ein Standard- oder ein Spezialimplantat notwendig ist.

Dr. med. De Menezes: Wenn ich die Wahl habe, verwende ich die Robotik. Ausschlaggebend sind vor allem die anatomischen Gegebenheiten und die technische Verfügbarkeit vor Ort. Das persönliche Gespräch mit den Patient:innen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung.

Wie sehen Sie die Zukunft der orthopädischen Chirurgie mit technologischen Innovationen?

Dr. med. Joss: Im Bereich des Kniegelenks wird sich die Roboterchirurgie weiter etablieren, da immer mehr Spitäler diese Technologie einführen. Gleichzeitig werden sich auch die Geräte selbst weiterentwickeln: Sie werden kleiner, effizienter und vernetzter. Auch der Einsatz der sogenannten Augmented Reality wird zunehmen.

Dr. med. De Menezes: Die Zukunft wird von digitalen Hilfsmitteln geprägt sein. Künstliche Intelligenz wird bei der Entscheidungsfindung, der Risikobewertung und bei der Planung des Rehabilitationsprozesses eine wichtige Rolle spielen.

Jeder Mensch bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit, körperlich wie psychisch. Mit Robotik können wir mehr Daten sammeln und unsere Behandlungen weiter individualisieren, dadurch wird nicht nur die Operation selbst, sondern auch die Nachsorge optimiert.

Möchten Sie unseren Leser:innen zum Schluss noch etwas mitgeben?

Dr. med. Joss und Dr. med. De Menezes: Robotik ist eine sehr hilfreiche Technologie, ersetzt jedoch nie die Erfahrung der Ärztin oder des Arztes. Sowohl während des Eingriffs als auch in der Nachbehandlung sind medizinisches Know-how und klinisches Urteilsvermögen unerlässlich.

Die Technik liefert präzise Unterstützung, doch der langfristige Erfolg hängt ebenso von einer sorgfältigen Nachsorge und der aktiven Mitarbeit der Patient:innen ab. Letztlich ist der Roboter ein Werkzeug, dessen Wirksamkeit vom Können der Chirurgin oder des Chirurgen abhängt.

Siloah
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