Fermentierte Lebensmittel – viel mehr als (nur) Geschmack

Carlo Weber
ist Koch, Lebensmittelingenieur und Food Unternehmer und bringt versiertes Wissen in Ernährungswissenschaft und Kulinarik mit. In seiner Gesundheits-Kolumne «Gesunder Tisch mit Carlo» schreibt er, was gesunde Ernährung konkret ausmacht.

Sagt Ihnen das was? Fermentierte Lebensmittel sind im Trend. Doch Fermentation ist kein neuer Hype, sondern ein jahrtausendealtes Verfahren zur Konservierung und Geschmacksbildung von Speisen, lange bevor wir über Kühlschränke verfügten. Heute wissen wir: Fermentation kann weit mehr, als nur Lebensmittel haltbar zu machen. Sie erzeugt lebende Mikroorganismen und diese wiederum eine Fülle bioaktiver Verbindungen, die unser Wohlbefinden unterstützen können. | Carlo Weber

Was ist Fermentation?

Bei der Fermentation wandeln Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien und Hefen, v.a. Zucker und Stärke in organische Säuren, Gase oder Alkohol um. Dieser Vorgang senkt den pH Wert, hemmt unerwünschte Keime und verändert Aroma, Nährstoffprofil und Textur. Historisch schützte etwa Sauerkraut auf Entdeckungsreisen der grossen Seefahrer gegen Skorbut (Blutungen und Mundfäule durch Vitaminmangel), indem fermentierter Kohl Vitamin C lieferte.

Typische fermentierte Lebensmittel sind:

  • Gemüse: Sauerkraut, Kimchi, Mixed Pickles
  • Milchprodukte: Joghurt, Kefir, Buttermilch
  • Hülsenfrüchte & Körner: Tempeh, Natto, Sauerteigbrot
  • Kombucha, Kefirwasser, Bier, Wein
  • Würzmittel: Miso, Gochujang (scharfe koreanische Würzpaste), Sojasauce

Welche gesundheitsfördernden Stoffe enthalten sie?

Probiotika

Lebende Milchsäurebakterien können sich im Darm ansiedeln oder die bestehende Flora stärken. Wichtig ist, dass probiotisch fermentierte Lebensmittel nicht erhitzt werden, da sonst die Bakterien absterben.

Bioaktive Peptide

Mikroben zersetzen Proteine in kleine Wirkstoffe, die antioxidativ, blutdrucksenkend und antidiabetisch wirken können.

Vitamine & Antioxidantien

Fermentierte Lebensmittel enthalten oft erhöhte Mengen an B Vitaminen (B1, B2, B6, B9/ Folsäure und B12) und Vitamin K2. Gleichzeitig entstehen stärker verfügbare phenolische Verbindungen, welche als Antioxidantien die freien Radikale abfangen (z. B. Kaempferol in Sauerkraut).

Darmgesundheit & Mikrobiom

Regelmässiger Verzehr fermentierter Lebensmittel fördert die Diversität der Darmflora. Sie können Entzündungsmarker senken und die Barrierefunktion des Darms stärken.¹ Eine vielfältige Darmflora gilt als Schlüssel zu besserer Verdauung und höherer Widerstandskraft gegen Erkrankungen. Zudem unterstützen Mikroorganismen während der Fermentation bereits den Abbau von langkettigen Verbindungen wie Proteine und Fette, die dadurch besser verdaut und aufgenommen werden können.

Gewichtsregulation & Stoffwechsel

Eine Studie in Korea mit Kimchi-Pulver über 12 Wochen zeigte bei Übergewichtigen die Verringerung deren Körperfettvolumen, verbesserte Lipidprofile und Insulinsensitivität.² Auch Joghurt und Kefir in Versuchen von thailändischen Studien mit Tieren, verminderten deutlich die Gewichtszunahme sowie Gesamt-Cholesterin und Triglyceride und verbesserte den Blutinsulinspiegel.³ Diese Ergebnisse bestätigen Berichte, dass fermentierte Kost mit einer verbesserten Glukose- und Fettregulation einhergeht, beides Faktoren, die langfristig Typ 2 Diabetes und Adipositas vorbeugen können.

Stimmung, Hormonhaushalt & mentale Gesundheit

Der Darm beeinflusst Hormone und Neurotransmitter. Laktobazillen aus fermentierten Lebensmitteln können unsere Stressresistenz fördern, indem sie Immunbotenstoffe wie Interferon-y regulieren.⁴,⁵ Tier- und Humanstudien mit sogenannten «Psychobiotika» deuten darauf hin, dass gewisse Stämme von Milchsäurebakterien antidepressiv und stressreduzierend wirken können.⁵

Immunsystem & Entzündungshemmung

Rund 70% unseres Immunsystems sitzen im Darm. Fermentierte Lebensmittel fördern ein anti-inflammatorisches Umfeld: In klinischen Untersuchungen senkte fermentierte Kost die Konzentrationen mehrerer Entzündungsproteine im Blut und schwächte die Aktivierung bestimmter Immunzellen.⁶ Anwender berichten von selteneren Erkältungen und schnellerer Genesung.

Gesundes Altern

Chronische, leichte Entzündungen gelten als Motor vorzei- tiger Alterung. Fermentierte Lebensmittel können dagegen ankämpfen, indem sie Entzündungsmarker senken, die Mitochondrien-Funktion fördern und die Reparaturprozesse der Darmwand unterstützen.³,⁶ So stärken sie langfristig die körpereigene Widerstandskraft und können die Lebensqualität im Alter steigern.

Das möchte ich Ihnen mitgeben

Fermentierte Lebensmittel sind keine Modeerscheinung, sondern bewährte, bioaktive Nahrungsquellen mit vielfältigen gesundheitlichen Vorteilen. Sie können die Darmgesundheit und Stoffwechsel-Effekte unterstützen und helfen mit die Immunstärkung zu beeinflussen, bis hin zur Förderung seelischer Ausgeglichenheit und gesundem Altern.

Damit bereichern sie eine ausgewogene Ernährung auf ein- drucksvolle Weise. Und geschmacklich sind sie mannigfaltig und einzigartig, um jedes Gericht wirkungsvoll zu ergänzen. Integrieren Sie täglich eine Portion fermentierter Kost in Ihren Speiseplan, um die vielfältigen Wirkungen und Geschmäcker selbst zu erleben.

Meine praktischen Alltagstipps

Einkaufen

Achten Sie auf «roh», «unpasteurisiert» oder «mit lebenden Kulturen». Probieren Sie im Bioladen oder Reformhaus verschiedene Sorten: Sauerkraut, Kimchi, Kombucha, Kefir.

Zubereitung

Joghurt oder Kefir einfach ins Müsli, Smoothie oder Dips einrühren. Sauerkraut direkt als Einlage in Sandwiches, Wraps oder Salaten verwenden – die Amerikaner machen dies beim Hotdog schon lange. Kimchi unter gebratenes Gemüse mischen oder als Fertiggericht mit Reis servieren.

Selbst fermentieren

Dafür gibt es tolle DIY-Kochbücher, bspw. Gemüse (z. B. Kohl, Karotten) in feine Streifen schneiden, mit Salz einmassieren und in einem Einmach-Glas bei Zimmertemperatur 5–7 Tage fermentieren lassen, als Starterkultur kann ein kleiner Löffel Joghurt dienen. Für Kombucha benötigen Sie nur Tee, Zucker und eine SCOBY-Kultur, Nach ein paar Tagen können sie bereits ein frisches, spritziges Getränk geniessen!

! Vorsicht: Schlecht durchgeführte Fermentation kann auch lebensgefährliche Bakterien hervorbringen und vermehren. Daher, immer eine Anleitung von Profis benutzen!

Referenzen:
1. T. Dobbyn: «The Gut Health Benefits of Sauerkraut»
2. Wooje Lee et al. (2024): «Effects of kimchi consumption on body fat and intestinal microbiota in overweight participants: A randomized, double-blind, placebo-controlled, single-center clinical trial»
3. Qaisrani et al. (2025): «The Impact of Kefir Consumption on Inflammation, Oxidative Stress Status, and Metabolic-Syndrome-Related Parameters in Animal Models: A Systematic Review and Meta-Analysis»
4. E. Swensen (2023): «Scientists Uncover How Fermented-Food Bacteria Can Guard Against Depression, Anxiety».
5. Mechak et al. (2024): «Lactobacillus from the Altered Schaedler Flora maintain IFNγ homeostasis to promote behavioral stress resilience».
6. J. Weaver (2021): «Fermented-food diet increases microbiome diversity, decreases inflammatory proteins, study finds»»

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Albinismus: zwischen genetischem Rätsel und kulturellem Reichtum

Albinismus war lange Zeit von Mythen und Glaubensvorstellungen umgeben. Er zeichnet sich durch das Fehlen oder eine erhebliche Reduzierung der Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen aus. Über das äussere Erscheinungsbild hinaus wirft diese genetische Besonderheit wichtige Fragen im Hinblick auf das Sehvermögen und den Schutz vor Sonnenstrahlen auf. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte haben es ermöglicht, das Phänomen besser zu verstehen und die Versorgung der Betroffenen zu verbessern.

Loading

Mehr lesen »

Schläge, Stösse, Verbrennungen: Schützen Sie Ihre Augen!

Die Augen sind ebenso kostbare wie empfindliche Organe. Jährlich führen zahlreiche Unfälle zu unterschiedlich schweren Augenverletzungen. In vielen Fällen könnten diese Verletzungen durch gute Prävention und eine frühzeitige Diagnose verhindert oder zumindest begrenzt werden. Welche Symptome sind Alarmzeichen für eine schwerwiegende Augenverletzung? Welche Massnahmen sollten ergriffen werden und welche gilt es zu vermeiden? Um das herauszufinden, haben wir Dr. Alessandra Sansonetti, Fachärztin für Augenheilkunde und augenchirurgische Eingriffe sowie ehemalige Präsidentin der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG), getroffen. Sie teilt mit uns ihr Fachwissen über Augenverletzungen und gibt praktische Tipps, wie man im Falle eines Unfalls richtig reagiert.

Loading

Mehr lesen »

Stechender Schmerz, endlose Geduld: die Arnold-Neuralgie

Jacqueline, 64, ist eine lebenslustige Frau. Sie liest und näht leidenschaftlich gern und hat immer Zeit gefunden, Kostüme für ihre vier inzwischen erwachsenen Kinder zu nähen. Sie freut sich auf
die Geburt ihres zweiten Enkelkindes und liebt es, mit ihrem Mann zu reisen, wie sie es kürzlich in
Französisch-Polynesien getan hat. Doch hinter dieser Vitalität verbirgt sich ein langer und zermürbender Kampf gegen eine unsichtbare Krankheit: die Arnold-Neuralgie.

Loading

Mehr lesen »

Die Psychologie der Farben: Wenn das Auge die Stimmung formt

Die Farbpsychologie der Farben ist ein faszinierendes Gebiet, das untersucht, wie Farben unsere Emotionen, unser Verhalten und sogar unser Wohlbefinden beeinflussen. Es handelt sich nicht nur um eine dekorative Modeerscheinung: Seit Jahrhunderten verbinden Zivilisationen bestimmte Farben mit spezifischen Bedeutungen, sei es, um Königswürde, Frieden oder Leidenschaft zu symbolisieren. Im Alltag kann eine einfache Farbveränderung in der Umgebung den Geist beruhigen oder ein Gefühl von Energie wecken.

Loading

Mehr lesen »

Farbenblindheit: Wenn die Farben Verstecken spielen!

Farbenblindheit, auch Dyschromatopsie genannt, ist eine Farbsehstörung, die die Fähigkeit einer Person beeinträchtigt, bestimmte Farben «normal» zu unterscheiden. Diese Anomalie ist oft genetisch bedingt und betrifft hauptsächlich Männer aufgrund eines defekten Gens, das mit dem X-Chromosom verknüpft ist. Tatsächlich leiden etwa 8% der Männer und nur 0,5% der Frauen an einer Form der Farbenblindheit.

Loading

Mehr lesen »

Aufklärung über Schizophrenie

Schizophrenie ist nach wie vor eine der am wenigsten verstandenen psychischen Erkrankungen. Häufig mit Vorurteilen behaftet, weckt sie in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch unbegründete Ängste. Die komplexe Erkrankung betrifft etwa 1% der Bevölkerung und erfordert mehr Aufklärung, damit die Betroffenen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen.

Loading

Mehr lesen »