Der Schlüssel zu einem gut verwalteten Diabetes

Dr. med. Daniela Sofra

Diabetes betrifft Millionen von Menschen auf der ganzen Welt und die Behandlung dieser Krankheit hängt von einem feinen Gleichgewicht zwischen medizinischer Betreuung, Technologie und Patientenengagement ab. In Lausanne setzt Dr. med. Daniela Sofra, eine engagierte Endokrinologin und Diabetologin, auf Teamarbeit. In diesem Interview beleuchtet sie die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Hausärzt:innen und die bahnbrechende Rolle, die CGM-Sensoren (Continuous Glucose Monitoring) im Leben der Patient:innen spielen. | Adeline Beijns

Wie arbeiten Sie mit Hausärzt:innen zusammen, um Diabetespatient:innen eine optimale Betreuung zu bieten? Könnten Sie diese Zusammenarbeit mit Beispielen aus Ihrer täglichen Praxis veranschaulichen? 

Als Diabetologin halte ich die Zusammenarbeit mit Hausärzt:innen für wesentlich, um eine reibungslose und effektive Betreuung zu gewährleisten. Meine Rolle ergänzt ihre Aufgabe: Sie sind oft die erste Anlaufstelle und kümmern sich um die tägliche Pflege, während ich für spezielle Anpassungen zuständig bin. Ein kürzlich aufgetretener markanter Fall ist ein gutes Beispiel für diese Zusammenarbeit. Ich wurde von einem Hausarzt zu einer Videokonferenz bezüglich eines Patienten eingeladen, der wegen zahlreicher Komorbiditäten behandelt wird: Diabetes, Fettleibigkeit, die eine Operation erfordert, Bluthochdruck, ein Bandscheibenvorfall und nicht zuletzt soziale und psychologische Herausforderungen. Der Allgemeinmediziner, in seiner zentralen Rolle, rief alle beteiligten Fachärzte – Chirurg, Kardiologe, Psychiater und mich – zusammen, um seinen Fall zu besprechen. Gemeinsam haben wir eine klare Strategie festgelegt, die nicht nur die Behandlung, sondern auch die Lebensqualität optimiert, indem sie isolierte Entscheidungen vermeidet. Es ist genau diese Art des Austauschs, die im Alltag den Unterschied macht.

Welche konkreten Vorteile bringt eine zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten koordinierte Betreuung den Patienten beim Umgang mit ihrem Diabetes? 

Eine koordinierte Behandlung bietet den Patient:innen mehrere wichtige Vorteile. Erstens gewährleistet sie eine Kontinuität der Versorgung: Der Allgemeinmediziner kennt den Patienten/die Patientin in seiner/ihrer Gesamtheit, während ich als Spezialistin die spezifischen Aspekte von Diabetes vertieft betrachten kann. Gemeinsam vermeiden wir Doppelungen oder Widersprüche in der Behandlung. Zweitens ermöglicht dies eine schnellere Reaktionsfähigkeit. Wenn ein Allgemeinmediziner eine Verschlechterung feststellt, kann er mich schnell um eine gezielte Intervention bitten. Für den Patienten/die Patientin bedeutet dies weniger Stress, da er weiss, dass seine Ärzte miteinander kommunizieren und er nicht bei jedem Besuch seine Geschichte wiederholen muss. Schliesslich fördert dieser multidisziplinäre Ansatz eine umfassende Betreuung. Die zu behandelnde Person kann den Hausarzt zur Kontrolle des Cholesterinspiegels aufsuchen, mich wegen des Diabetes, einen Ernährungsberater wegen der Essgewohnheiten – mit einem abgestimmten, gemeinsamen Plan und einem einheitlichen Ziel. 

Inwiefern kann ein frühzeitiger Besuch bei einem Facharzt in Kombination mit der Verwendung von CGMs die Diagnose präzisieren und die Behandlung von Diabetes optimieren? 

Eine frühzeitige Überweisung an einen Diabetologen ist in meinen Augen für jeden Menschen mit Diabetes entscheidend. Bei manchen Patient:innen kann ein abnormer Blutzuckerspiegel beispielsweise eher einen späten Typ-1-Diabetes (LADA) als einen Typ-2-Diabetes verbergen. Als Spezialistin kann ich spezielle Tests zur Klärung der Diagnose anordnen. Die CGMs unterstützen mein Vorhaben, da sie im Gegensatz zu den punktuellen Messungen mit einem Blutzuckermessgerät einen Überblick über die Blutzuckerschwankungen über 24 Stunden liefern. So kann man die Behandlung von Anfang an besser auf die zu behandelnde Person abstimmen und auch, was man nicht vergessen sollte, all das wertschätzen, was der/die Patient:in bereits gut macht.

Wie werden CGMs über die einfache Kontrolle des Blutzuckerspiegels hinaus zu wertvollen therapeutischen Instrumenten, die Patient:innen mit Typ-2-Diabetes helfen, ihren Alltag zu verbessern?

CGMs beschränken sich nicht nur auf die Überwachung des Blutzuckerspiegels, sondern werden auch zu wirkungsvollen pädagogischen und therapeutischen Instrumenten. Sie ermöglichen es den Patient:innen, in Echtzeit zu sehen, wie sich ihre täglichen Entscheidungen auf ihren Blutzuckerspiegel auswirken, was sie zu einem aktiven Teilnehmer ihrer Behandlung macht und ihre Motivation und Autonomie steigert. Schliesslich erleichtern die CGM-Daten die Beratung. Die Patient:innen kommen mit einem detaillierten Zuckertagebuch, so dass wir konkret besprechen können: «Sehen Sie diesen perfekten Wert um 18 Uhr? Nach welcher Aktivität war das?». Dies vermittelt dem Patienten/der Patientin einen Sinn in seinen/ihren Handlungen und macht die therapeutischen Anpassungen präziser. Für viele ist es eine Erkenntnis, die ihr Verhältnis zur Krankheit grundlegend verändert. 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Die Top 5 Ursachen für eine verminderte Libido

Die Libido schwankt im Laufe der Zeit, der Jahreszeiten und der Lebensphasen. Müdigkeit, Stress, Hormone, Anspannung… für Libidoverlust gibt es nicht nur eine einzige Ursache, sondern es handelt sich oft um eine Mischung aus verschiedenen Faktoren. Die gute Nachricht: es gibt einfache Möglichkeiten, das Gleichgewicht wiederherzustellen und das Verlangen zu wecken. 

Loading

Mehr lesen »

Wie wäre es, wenn wir die Spielregeln ändern würden?

Was wäre, wenn der Schlüssel zum Vergnügen in der Neugier oder dem Wunsch nach Selbstfindung läge? Drei Paare erzählen, wie eine etwas verrückte Idee ihre Intimität verändert hat. Zwischen Ungeschicklichkeiten, Gelächter und echten Emotionen haben ihnen diese ungewöhnlichen Erfahrungen vor allem beigebracht, sich wieder mit sich selbst und miteinander zu verbinden.

Loading

Mehr lesen »

Unter dem Schnee, die Flamme: Die Geheimnisse der Winter-Sexualität

Die Feiertage zum Jahresende stehen vor der Tür, und mit ihnen der Glanz aus funkelnden Lichtern, üppigen Mahlzeiten und lebhaften Wiedersehen. Aber unter dem Zauber der Tannenbäume und den Toasts kann sich ein diskreter Gast davonschleichen: die Libido. Der Winter mit seinen kurzen Tagen und seinem festlichen Stress verschont unsere intimen Wünsche nicht.

Loading

Mehr lesen »

Funktionelle Lebensmittel: Was kann der neue Ernährungstrend wirklich?

Im meinem Lieblingskaffee gibt es plötzlich auch Matcha-Latte, auf Social Media sieht man zahlreiche «Mushroom Coffees» und in einer Fernsehwerbung wirbt Jennifer Aniston für ein Kollagen-Pulver für schönere Haut. Funktionelle Lebensmittel, aus dem englischen «Functional Foods», haben den Nischenmarkt verlassen. Der Begriff beschreibt Lebensmittel oder Getränke, die über ihre reine Nährstoffversorgung hinaus einen spezifischen, gesundheitlichen Zusatznutzen bieten. Dies wird oft durch die Zugabe oder natürliche Konzentration von bioaktiven Inhaltsstoffen erreicht. Doch was ist Marketing und was bringt tatsächlich Nutzen? Sehen wir uns einmal die wissenschaftliche Evidenz hinter einigen populären funktionellen Lebensmitteln an.

Loading

Mehr lesen »

Rückenschmerzen: Mythen entlarven, um Schmerzen zu lindern

Rückenschmerzen oder Lumbalgie betreffen fast 80% aller Erwachsenen im Laufe ihres Lebens und sind damit eine der häufigsten Beschwerden unserer Zeit. Hinter ihnen verbergen sich zahlreiche falsche Überzeugungen, die in der kollektiven Vorstellung verankert sind und nicht nur das Leiden aufrechterhalten, sondern auch akute Schmerzen in ein chronisches Problem verwandeln können. Falsche Überzeugungen, die sowohl von Patient:innen als auch von einigen Angehörigen der Gesundheitsberufe geteilt werden, haben schädliche Auswirkungen: sie schüren Ängste und behindern eine optimale Heilung, da durch sie Rückenleiden oft unbehandelt bleiben.

Loading

Mehr lesen »