Schnarchen und Müdigkeit: Ein Bericht über ein Leben zu zweit

Adeline

In der Stille der Nacht soll der Schlaf ein Zufluchtsort sein, ein Moment des Friedens, den man mit seinen Liebsten teilt. Für viele wird diese Ruhe jedoch durch ein vertrautes und störendes Geräusch unterbrochen: das Schnarchen. Während man in einer lockeren Unterhaltung vielleicht darüber lacht, wird es für manche Paare zur Zerreissprobe. Geduld, Schlaf und sogar Intimität werden auf die Probe gestellt. Adeline, 42, und ihr Mann Patrice, 50, können ein Lied davon singen. | Adeline Beijns

Nächtlicher Lärm, der den Alltag erschüttert

Wenn Adeline an die ersten Jahre mit Patrice zurückdenkt, erinnert sie sich an friedliche Nächte, die von einer sanften Routine eingelullt wurden. Doch vor einigen Jahren änderte sich alles: Patrice, der ein Unternehmen mit elf Mitarbeitenden leitet, spürte seinen Stresspegel in die Höhe schnellen und mit ihm sein Gewicht. Die Kilos häuften sich an und aus dem einst leisen Schnarchen wurde ein akustischer Sturm. «Es war, als würde man neben einer Kettensäge schlafen», erzählt Adeline mit einer Mischung aus Humor und Überdruss. 

Die Messung bei einem HNO-Spezialist für Schlafstörungen ergab 80 Dezibel – das entspricht einem Rasenmäher in voller Aktion. Selbst mit Ohrstöpseln konnte Adeline nicht mehr zur Ruhe kommen. Nachts bekam sie die Augen nicht zu, tagsüber kämpfte sie mit der Müdigkeit. «Ich wachte groggy auf, war gereizt und konnte mich nicht konzentrieren. Alles machte mir zu schaffen: meine Arbeit, meine Launen, unsere Beziehung», sagt sie.

Lösungsansätze zwischen Hoffnung und Kompromiss

Angesichts des nächtlichen Lärms suchten Adeline und Patrice nach Lösungen. Zunächst versuchten sie es mit einfachen Mitteln: Anti-Schnarch-Kissen, um Patrices Kopf höher zu lagern, Nasensprays, die seine Atemwege befreien sollten. «Wir haben sogar einen Trick von Oma ausprobiert: Wir haben einen Tennisball hinten in seinen Pyjama eingenäht, damit er nicht auf dem Rücken schläft», lacht Adeline. Doch nichts half. Ein Termin beim HNO-Arzt wegen Schlafstörungen brachte endlich Klarheit. Der Spezialist machte zwei Schuldige aus: Patrices Gewichtszunahme, die seine Atemwege einengt, und eine Anomalie im Bereich des Kehlkopfs, die wahrscheinlich schon lange bestand, sich aber im Laufe der Jahre verschlimmert hat. Die Empfehlung war klar: Abnehmen, um den Druck auf den Hals zu verringern, aber auch eine Operation in Betracht ziehen, um die Anomalie zu korrigieren.

Patrice versuchte, den ersten Rat zu befolgen. Gemeinsam mit Adeline überdachten sie ihre Essgewohnheiten, entschieden sich für leichtere Gerichte und unternahmen mit der Familie Spaziergänge auf den Hügeln in der Nähe ihrer Wohnung am Stadtrand von Basel. «Er hat in wenigen Monaten fünf Kilo abgenommen, und das Schnarchen hat etwas nachgelassen, aber nicht genug, um neben ihm schlafen zu können», sagt Adeline. Als endgültige Lösung wurde die Operation vorgeschlagen. Doch damit stiess sie auf taube Ohren. «Es ist ein schwerer Eingriff, der mehrere Wochen Ausfallzeit bedeutet. Patrice will seine Firma nicht alleine lassen, schon gar nicht jetzt», seufzt sie. Also haben sie inzwischen einen radikalen, aber effektiven Kompromiss gefunden: Sie schlafen getrennt.

Ein neues Leben als Paar

Die Entscheidung, in getrennten Zimmern (und sogar auf verschiedenen Etagen) zu schlafen, war nicht einfach. «Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass wir uns voneinander entfernten und unsere Intimität darunter litt», sagt Adeline. Patrice hingegen fühlte sich schuldig, als würde er diese Distanz erzwingen. Doch mit der Zeit verwandelte sich der Zwang in eine neue Normalität. Adeline hat wieder ruhige Nächte und einen tiefen Schlaf, den sie monatelang vermisst hatte. «Ich fühle mich ausgeruhter, geduldiger, mehr ich selbst», sagt sie. Ihre Ehe ist nicht zerbrochen, sie hat sich angepasst. «Wir treffen uns, wenn wir Lust haben, für ausgewählte, kostbare Momente», fügt sie lächelnd hinzu.

Doch diese Harmonie wird im Urlaub auf eine harte Probe gestellt. An zwei Hotelzimmern ist aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Letzten Sommer in Italien versuchte Adeline fünf Nächte lang, trotz des ohrenbetäubenden Schnarchens von Patrice zu schlafen. «Schliesslich brach ich mitten am Nachmittag völlig erschöpft auf einer Liege am Pool zusammen. Ich fürchtete mich schon vor der nächsten Nacht», erinnert sie sich. 

Die eigentlich zur Entspannung gedachten Ausflüge wurden zum Albtraum. «Ich komme immer erschöpft zurück, obwohl mich der Urlaub eigentlich erholen sollte. Dieses Jahr frage ich mich, ob ich nicht lieber zu Hause bleiben sollte!».

Eine ernstzunehmende Herausforderung

Ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung leidet unter Schlafstörungen. Fachleute betonen die Bedeutung einer guten Beratung, da oft Lösungen möglich sind. Für Adeline und Patrice muss die passende Lösung noch gefunden werden, aber ihre Fähigkeit zu kommunizieren und sich anzupassen ist ihre Stärke. «Wir lieben uns und arrangieren uns damit», meint Adeline. 

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