
ist Arzt und Geschäftsführer mehrerer Kieser Studios. In seinem Buch «Starke Menschen bleiben jung» hat er medizinische Fakten zum Zusammenhang von Langlebigkeit und Muskeltraining zusammengefasst.
Die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa beträgt aktuell etwa 84 Jahre für Frauen und 79 Jahre für Männer. Ab einer gewissen Annäherung an diese Werte beginnen viele Menschen, sich mit dem eigenen Altern auseinanderzusetzen und versuchen, diesen Prozess aktiv zu bremsen. In der Tat scheint es möglich zu sein, unser biologisches Alter vom kalendarischen in einem gewissen Mass zu entkoppeln. | Frank Horlbeck
Warum altern wir eigentlich?
Der Mensch als Spezies ist ein Teil der Natur. Als solches unterliegt er evolutionsbedingt einem gewissen Schutz, und zwar genau so lange, bis er sich vermehrt hat. Damit haben wir unsere Schuldigkeit getan und müssen unser gesundheitliches Schicksal fortan selbst in die Hand nehmen. Sinnbildlich ist das an der Menopause von Frauen zu erkennen. Ab diesem Zeitpunkt läuft der Altersprozess faktisch im Zeitraffer. Bei Männern gibt es keine so intensive Zäsur, eher langsam gleitende Veränderungen. Mit unserem Lebensalter steigen auch die Risiken vieler chronischer Krankheiten. Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen darum das Altern selbst als Krankheit an. Gelingt es uns, diesen Prozess zu bremsen, senken wir gleichzeitig die Risiken aller altersassoziierten Erkrankungen. Das ist der Kern der aktuell boomenden Longevity-Forschung.
Die Schalter unserer Gene
Der Alterungsprozess ist ein multidimensionales Geschehen. Einfach ausgedrückt befindet sich unser Körper in einem fliessenden Gleichgewicht. Seine Strukturen – von subzellulärer Ebene bis zu ganzen Organsystemen – unterliegen einem ständigen Umbau, der von äusseren Reizen und Störgrössen beeinflusst wird. Bei diesem Umbau schleichen sich jedoch mit der Zeit Fehler ein, und der Organismus verliert nach und nach seine Fähigkeit, diese Fehler zu finden und sie zu reparieren. Hinzu kommt, dass unsere Zellen nur eine begrenzte Fähigkeit haben, sich zu teilen. Viele äussere Faktoren wirken zudem direkt auf unser Erbgut, beispielsweise UV-Strahlung oder Nahrungsbestandteile. Diese können – wie ein Schalter – bestimmte Bereiche unserer DNA «on» und «off» stellen. Wir sprechen hier von Epigenetik. Diese Prozesse sind wiederum altersabhängig und werden auch zur Bestimmung des wahren biologischen Alters genutzt.
Stellen Sie Ihre biologische Uhr neu
Epigenetische Interventionen scheinen der Schlüssel zu sein, mit dem sich unser biologisches Alter vom kalendarischen entkoppeln lässt. So können Sie durchaus an Ihrem 60. Geburtstag zehn Jahre jünger sein. Nur wie genau lässt sich dies bewerkstelligen? Viele Menschen sind bereit, selbst grosse Geldbeträge zu investieren, um länger jung zu bleiben. Sie kaufen Hoffnung. Es ist ein Milliardenmarkt, denn die Nachfrage ist riesig. Gezieltes Biohacking wird propagiert sowie die Beeinflussung unserer inneren Uhr durch pharmakologisch wirksame Substanzen und intensive Reize. Dies soll spezifische Gene anschalten, was auf zellulärer Ebene sowie bei Hefen, Fadenwürmern und mitunter Mäusen tatsächlich zu einer Lebensverlängerung führt.
Keep it simple
Der Wunsch nach einem langen und gesunden Leben entsteht oft sehr spät und wird dann teuer bezahlt, etwa für «hochwirksame» Cremes oder Kapseln mit der ultimativen Formel für Unsterblichkeit. Es scheint, dass Lebenszeit käuflich sei. Dabei lassen wir meist den grössten epigenetischen Regulator ausser Acht: unseren eigenen Lebensstil. Zehn Faktoren beeinflussen – neben Umwelteinflüssen und Zugang zur medizinischen Versorgung – zu einem grossen Teil, wie alt und wie gesund wir wirklich sind. Denn es geht nicht nur darum, möglichst alt zu werden. Das Ganze hat nur Sinn, wenn wir in dieser gewonnenen Zeit auch noch viel unternehmen können. Daher ist aus meiner ärztlichen Sicht vor allem die Verlängerung der gesunden Lebensspanne das erstrebenswerte Ziel.
Muskeltraining ist der Schlüssel
Als Arzt und ebenfalls alternder Mensch setze ich mich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Langlebigkeit auseinander. Meine «Geheimwaffe» ist der tägliche halbe Liter Matcha, ein pulverisierter gebrühter Grüntee, der viele bioaktive Substanzen enthält. Dazu Nüsse, Beeren und Granatäpfel. Ich nutze oft die Sauna, mein Ergometer und mache Hypoxietraining. Der wichtigste Schlüssel für eine längere Lebenserwartung bei erhaltener Lebensqualität ist in meinen Augen jedoch ganz klar ein regelmässiges Muskeltraining.
Es liegt in unserer Hand, in welchem Umfang wir mit zunehmendem Lebensalter an Muskulatur abbauen. Steuern wir diesem Prozess nicht entgegen, drohen langfristig der Verlust unserer Autonomie und dadurch Gebrechlichkeit sowie Pflegebedürftigkeit. Use it or loose it. Sarkopenie, ein krankhafter Muskelschwund, ist also keine schicksalhafte Altersfolge. Wer sein grösstes Organsystem pflegt, erhält dieses und dazu auch seine Knochen sowie die funktionelle Kapazität seines ganzen Körpers.
Starke Biomotoren als Anti-Aging
Muskeln bewegen uns nicht nur, sie wirken auch als endokrines Organ. Ihre Botenstoffe heissen Myokine und sind wahre Jungbrunnen. So können diese beispielsweise chronische Entzündungen dimmen, eine Teilursache von Alterungsprozessen. Unsere messbare Handkraft sagt mehr über zukünftige Krankheitsrisiken und unsere Lebenserwartung aus als beispielsweise der obere Blutdruckwert. Muskeln sind die wahren Motoren unseres Lebens. Der Erhalt unserer Kraft ist demnach keine Eitelkeit, sondern sinnvolle Körperhygiene. Ein Training unter professioneller Anleitung, das auf individuelle Bedürfnisse und bestehende Vorerkrankungen eingeht – wie es zum Beispiel bei Kieser angeboten wird – ist besonders empfehlenswert. So reichen oft schon zwei 30-Minuten-Einheiten pro Woche aus, um die Muskulatur effektiv zu stärken und einen Einfluss auch auf Ihre persönliche Langlebigkeit zu erzielen.
Meine TOP-10-Einflussfaktoren für ein langes und gesundes Leben

