
Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist eine Erkrankung des Blutes, die vor allem ältere Erwachsene betrifft. Trotz ihres meist langsamen Verlaufs kann die CLL das tägliche Leben der Patient:innen erheblich beeinträchtigen. Jüngste Fortschritte in Diagnose und Therapie ermöglichen eine zunehmend personalisierte Behandlung. Um die Entstehung dieser Krankheit besser zu verstehen, welche Rolle genetische Marker spielen und wie die Nachsorge auf jeden einzelnen Patienten abgestimmt werden kann, haben wir mit Dr. med. Kaveh Samii gesprochen, Hämatologe und Spezialist für CLL am Universitätsspital Genf (HUG). | Adeline Beijns
Dr. Samii, können Sie uns zum Einstieg erklären, wie eine CLL eigentlich entsteht?
Blut besteht aus Plasma und Blutzellen: rote Blutkörperchen, weisse Blutkörperchen und Blutplättchen. Bei den weissen Blutkörperchen unterscheidet man zwischen Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten, die alle eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr gegen Bakterien, Viren und Parasiten spielen. Bei der CLL werden die Lymphozyten durch erworbene Genmutationen anormal, sodass sie sich übermässig vermehren. Diese Chromosomenanomalien verschaffen den Zellen einen Vorteil bei der Zellteilung und verhindern gleichzeitig ihren programmierten Zelltod, was zu ihrer allmählichen Ansammlung im Blut, im Knochenmark, in den Lymphknoten und in der Milz führt. Im Gegensatz zu den akuten Leukämien, die eine sofortige und oft stationäre Behandlung erfordern, entwickelt sich diese Krankheit in der Regel langsam über mehrere Jahre.
Immer wieder ist in der Medizin die Rede von sog. Biomarkern. Wie würden Sie dem Leser das Wort «Biomarker» in einfachen Worten erklären? Und warum sind genetische Marker überhaupt wichtig in der CLL?
Ein Biomarker ist ein messbares biologisches Merkmal, das bei der Diagnose und Verlaufskontrolle einer Krankheit hilft. Bei der CLL sind verschiedene Biomarker entscheidend, darunter die Anzahl der weissen Blutkörperchen und einige biochemische Parameter. Genetische Marker, z. B. TP53 und IGHV, spielen in der CLL eine besonders wichtige Rolle. Sie ermöglichen es, die Diagnose zu bestätigen, den Schweregrad der Erkrankung zu beurteilen und eine genaue Überwachung während der Behandlung und bis zur Remission zu gewährleisten.
Ihre Patient:innen unterscheiden sich massgeblich in Alter, Lebenssituation, Gesundheitszustand und auch Vorwissen. Wie stellen Sie sich individuell auf Ihre Patient:innen ein?
Die Behandlung der CLL hat sich dank des wissenschaftlichen Fortschritts in den letzten Jahren erheblich verbessert. Wir sind von der klassischen Chemotherapie zu zielgerichteten Therapien übergegangen, die kürzer sind und häufig oral verabreicht werden, ohne dass ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. Der Behandlungsansatz ist immer individuell und berücksichtigt nicht nur das Stadium und den Schweregrad der Erkrankung, sondern auch die Besonderheiten der Patient:innen: das Alter, die Selbstständigkeit, eventuelle Begleiterkrankungen und die bereits erhaltenen Behandlungen. Durch diese Personalisierung der Behandlung kann die Wirksamkeit optimiert und gleichzeitig die Lebensqualität erhalten werden.
Wie wichtig ist es, dass sich Patient:innen auch ausserhalb des Arztgesprächs informieren, z. B. im Internet? Gibt es hier auch Risiken aus Ihrer Sicht?
Es ist wichtig, dass Patient:innen gut über ihre Krankheit und die Behandlungsmöglichkeiten informiert sind. Das Internet bietet einen einfachen Zugang zu vielen Informationen, aber man muss vorsichtig sein. Viele Online-Informationen sind unsortiert, ungenau oder falsch. Einige verlockende, aber wissenschaftlich nicht fundierte alternative Therapien können sogar dazu führen, dass die richtige medizinische Behandlung verzögert wird. Ich rate meinen Patient:innen daher, diese Ressourcen mit Vorsicht zu nutzen und immer mit ihrem Facharzt oder ihrer Fachärztin darüber zu sprechen.
Haben Sie ein letztes Wort an Menschen, die an CLL leiden? Ein Schlusswort?
Die CLL ist heute gut bekannt und die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren stark verbessert. Obwohl es sich um eine chronische Erkrankung handelt, muss sie nicht immer sofort behandelt werden, aber eine regelmässige Vorsorge ist nach wie vor unerlässlich. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, wird sie gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten gewählt und ermöglicht oft eine gute Lebensqualität dank wirksamer Therapien, die ambulant durchgeführt werden können. Es gibt gute Gründe, optimistisch zu sein und der Dialog mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin ist entscheidend für den bestmöglichen Umgang mit der Krankheit.
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung von BeiGene Switzerland GmbH erstellt – 0425-BRU-PRC-034. Die Unabhängigkeit der Expertenmeinung wurde vollständig respektiert
