Technologie im Mittelpunkt der Betreuung

Spastik
Abgerufen von giphy.com
Dominique Durrer
Dr. med. Dominique Durrer

Diabetes ist eine chronische Krankheit, die weltweit Millionen von Menschen betrifft. Obwohl die Krankheit immer besser verstanden wird, gibt es weiterhin viele Herausforderungen, um die Patient:innen in ihrem Alltag optimal zu unterstützen. Heute sprechen wir mit der Allgemeinmedizinerin Dr. Dominique Durrer, ehemals assoziierte Ärztin an den Universitätskliniken Genf und Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Adipositasforschung (ASEMO). Von Adeline Beijns

Welche Auswirkungen kann Diabetes auf das tägliche Leben der Betroffenen haben? Gibt es Möglichkeiten zur Prävention?

Diabetes erfordert eine ständige Wachsamkeit: Der Blutzuckerspiegel muss mehrmals täglich kontrolliert werden, um eine Hypoglykämie vorzubeugen. Dies stellt eine erhebliche mentale Belastung dar. Deshalb ist ein ganzheitlicher Ansatz (medizinisch, pädagogisch und psychologisch) von entscheidender Bedeutung. Zur Prävention können eine ausgewogene Ernährung und regelmässige körperliche Aktivität wesentlich dazu beitragen, das Auftreten von Typ-2-Diabetes zu verzögern.

Wie kann eine optimale Betreuung der Patient:innen sichergestellt werden, und welche Lösungen stehen ihnen heute zur Verfügung?

Ein multidisziplinärer Ansatz ist unverzichtbar. Neben einer koordinierten medizinischen Betreuung durch verschiedene Fachärzt:innen stellen Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) einen bedeutenden Fortschritt dar. Sie messen den Blutzucker kontinuierlich, ohne dass häufige Fingerstiche erforderlich sind, was den Alltag flexibler und komfortabler macht.

Für wen sind diese Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung gedacht?

CGM-Systeme sind grundsätzlich für alle Menschen mit Diabetes nützlich, um besser zu verstehen, was im eigenen Körper passiert, und somit eine bessere eigenständige Diabetesbewältigung zu ermöglichen. Diese Geräte helfen dabei, Schwankungen des Blutzuckerspiegels besser zu erkennen, Hypoglykämien oder Hyperglykämien zu vermeiden und die Behandlung schnell anzupassen. Es ist jedoch entscheidend, dass die Patient:innen dies mit der behandelnden Ärztin oder einem Spezialisten (Endokrinologe/Diabetologe) besprechen, um zu prüfen, ob sie die Kriterien erfüllen und ob sie tatsächlich davon profitieren können.

Welche Erfahrungen haben Sie mit CGM-Systemen gemacht, und wie profitieren sowohl Betroffene als auch Fachkräfte davon?

Meine klinische Erfahrung zeigt, dass die kontinuierliche Glukosemessung ein besseres Verständnis der Krankheit ermöglicht, sowohl für die Patient:innen als auch für das medizinische Fachpersonal. Die Echtzeit-Rückmeldungen geben den Patient:innen ein grösseres Sicherheitsgefühl, da sie schnell auf Warnungen vor einer drohenden Hypoglykämie oder Hyperglykämie (Unter- oder Überzuckerung) reagieren können. Psychologisch gesehen ist es sehr motivierend, Fortschritte grafisch zu sehen und den Blutzuckerspiegel selbst korrigieren zu können, ohne auf den nächsten Arzttermin warten zu müssen.

Auf medizinischer Ebene liefern diese Systeme präzise und detaillierte Daten, die eine Anpassung der Behandlung erleichtern. Zum Beispiel können Blutzuckerspitzen nach bestimmten Mahlzeiten oder nächtliche Blutzuckerabfälle erkannt werden. Dies ermöglicht eine genauere Insulindosierung, eine Anpassung der Ernährung oder eine gezielte Verstärkung der körperlichen Aktivität. Langfristig führen diese Anpassungen zu einem besseren Blutzuckerausgleich und einer wirksameren Vorbeugung von Komplikationen.

Erhalten Patient:innen eine Kostenerstattung für die Nutzung dieser Geräte?

Ja, eine Kostenerstattung ist möglich, aber sie ist streng durch die MiGeL (Mittel und Gegenständeliste) geregelt. Derzeit werden hauptsächlich Personen mit Diabetes berücksichtigt, die eine intensivierte Insulintherapie erhalten. Konkret sind das Patient:innen, die täglich mehrere Insulininjektionen benötigen und über eine ärztliche Verschreibung verfügen, die in der Regel von eine:r Endokrinolog:in oder Diabetolog:in ausgestellt wird.

Welche Vorteile bietet eine enge Zusammenarbeit mit einer spezialisierten Fachperson?

Eine enge Zusammenarbeit mit Spezialist:innen für Diabetologie oder Endokrinologie ermöglicht eine individuellere und reaktionsschnellere Betreuung. Spezialist:innen können die Behandlung präzise anpassen, die am besten geeigneten technologischen Lösungen vorschlagen und eine kontinuierliche Begleitung anbieten. Dieser ganzheitliche Ansatz hilft, Komplikationen zu verhindern, stärkt die Autonomie der Patient:innen und verbessert langfristig ihre Lebensqualität.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Die Top 5 Ursachen für eine verminderte Libido

Die Libido schwankt im Laufe der Zeit, der Jahreszeiten und der Lebensphasen. Müdigkeit, Stress, Hormone, Anspannung… für Libidoverlust gibt es nicht nur eine einzige Ursache, sondern es handelt sich oft um eine Mischung aus verschiedenen Faktoren. Die gute Nachricht: es gibt einfache Möglichkeiten, das Gleichgewicht wiederherzustellen und das Verlangen zu wecken. 

Loading

Mehr lesen »

Wie wäre es, wenn wir die Spielregeln ändern würden?

Was wäre, wenn der Schlüssel zum Vergnügen in der Neugier oder dem Wunsch nach Selbstfindung läge? Drei Paare erzählen, wie eine etwas verrückte Idee ihre Intimität verändert hat. Zwischen Ungeschicklichkeiten, Gelächter und echten Emotionen haben ihnen diese ungewöhnlichen Erfahrungen vor allem beigebracht, sich wieder mit sich selbst und miteinander zu verbinden.

Loading

Mehr lesen »

Unter dem Schnee, die Flamme: Die Geheimnisse der Winter-Sexualität

Die Feiertage zum Jahresende stehen vor der Tür, und mit ihnen der Glanz aus funkelnden Lichtern, üppigen Mahlzeiten und lebhaften Wiedersehen. Aber unter dem Zauber der Tannenbäume und den Toasts kann sich ein diskreter Gast davonschleichen: die Libido. Der Winter mit seinen kurzen Tagen und seinem festlichen Stress verschont unsere intimen Wünsche nicht.

Loading

Mehr lesen »

Funktionelle Lebensmittel: Was kann der neue Ernährungstrend wirklich?

Im meinem Lieblingskaffee gibt es plötzlich auch Matcha-Latte, auf Social Media sieht man zahlreiche «Mushroom Coffees» und in einer Fernsehwerbung wirbt Jennifer Aniston für ein Kollagen-Pulver für schönere Haut. Funktionelle Lebensmittel, aus dem englischen «Functional Foods», haben den Nischenmarkt verlassen. Der Begriff beschreibt Lebensmittel oder Getränke, die über ihre reine Nährstoffversorgung hinaus einen spezifischen, gesundheitlichen Zusatznutzen bieten. Dies wird oft durch die Zugabe oder natürliche Konzentration von bioaktiven Inhaltsstoffen erreicht. Doch was ist Marketing und was bringt tatsächlich Nutzen? Sehen wir uns einmal die wissenschaftliche Evidenz hinter einigen populären funktionellen Lebensmitteln an.

Loading

Mehr lesen »

Rückenschmerzen: Mythen entlarven, um Schmerzen zu lindern

Rückenschmerzen oder Lumbalgie betreffen fast 80% aller Erwachsenen im Laufe ihres Lebens und sind damit eine der häufigsten Beschwerden unserer Zeit. Hinter ihnen verbergen sich zahlreiche falsche Überzeugungen, die in der kollektiven Vorstellung verankert sind und nicht nur das Leiden aufrechterhalten, sondern auch akute Schmerzen in ein chronisches Problem verwandeln können. Falsche Überzeugungen, die sowohl von Patient:innen als auch von einigen Angehörigen der Gesundheitsberufe geteilt werden, haben schädliche Auswirkungen: sie schüren Ängste und behindern eine optimale Heilung, da durch sie Rückenleiden oft unbehandelt bleiben.

Loading

Mehr lesen »