



Spastik tritt häufig bei Erkrankungen wie Schlaganfall, Multipler Sklerose, Cerebralparese oder Querschnittlähmung auf. Diese Muskelspannung entsteht durch eine Fehlsteuerung der Nerven, welche die Bewegungen der Muskeln regulieren. Spastik kann nicht nur die Beweglichkeit der Arme oder Beine einschränken, sondern auch Schmerzen, Gelenkprobleme und andere Beschwerden verursachen. Frühzeitige und gezielte Therapien können Spastik lindern, die Beweglichkeit erhalten und damit die Lebensqualität steigern. Interview mit KD Dr. med. PhD Inge Eriks Hoogland, Dr. med. Audrey Weaver und Dr. med. Henrik Rühe. Von Anna Meier & Adeline Beijns
Warum ist es wichtig, dass Patient:innen und ihre Angehörigen spastische Symptome frühzeitig erkennen und einen Experten aufsuchen?
Audrey Weaver: Es ist von entscheidender Bedeutung, die Symptome der Spastik frühzeitig zu erkennen, da dadurch Komplikationen vermieden werden können, welche die Lebensqualität erheblich einschränken können, wie z. B. Kontrakturen, Gelenkverformungen oder Mobilitätsverlust, und vor allem die Prognose für die Genesung verbessert wird. Neben den körperlichen Aspekten gibt es jedoch auch emotionale und soziale Aspekte. Unbehandelte Spastik kann die Patient:innen isolieren, ihr Selbstvertrauen beeinträchtigen und ihre Teilnahme an täglichen Aktivitäten einschränken.
Inge Eriks Hoogland: Die Behandlung sollte möglichst früh erfolgen, um Komplikationen zu vermeiden. Spastik kann die Beweglichkeit stark einschränken und langfristig zu dauerhaften Muskelverkürzungen oder Kontrakturen führen. Zusätzlich erschwert sie oft die Rehabilitation, da sie den Aufbau von Muskelkraft und die Wiederherstellung von Bewegungsabläufen behindert. Mit einer frühen Intervention können diese Folgen reduziert und die Grundlage für eine erfolgreiche Rehabilitation gelegt werden.
Henrik Rühe: Ein frühzeitiges Erkennen der Symptome ermöglicht eine gezielte Behandlung, die den Betroffenen langfristig helfen kann, ihre Beweglichkeit zu erhalten und Schmerzen zu vermeiden bzw. reduzieren.
Wie können spastische Symptome nach einem Schlaganfall erkannt werden?
H. R.: Spastische Symptome nach einem Schlaganfall machen sich vor allem durch eine erhöhte Steifigkeit und starke Anspannung der Muskeln bemerkbar. In manchen Fällen treten auch unkontrollierte Muskelzuckungen oder Schmerzen auf. Typischerweise entwickeln sich diese Symptome nicht sofort, sondern erst Wochen bis Monate nach dem Schlaganfall. Genau hier liegt die Herausforderung: Da die Spastik schleichend entstehen kann, bleibt sie oft unbemerkt – insbesondere bei Patient:innen, die langfristig in Pflegeheimen betreut werden. Es ist daher wichtig, dass sowohl Pflegepersonal als auch Angehörige sensibilisiert sind und auf erste Anzeichen achten.
I. E. H.: Spastik zeigt sich durch einen erhöhten Widerstand in den Muskeln, wenn man versucht, sie zu bewegen. Bei klinischen Untersuchungen fallen oft gesteigerte Reflexe auf. Diese Symptome sollten ernst genommen werden, da eine frühzeitige Behandlung den Verlauf erheblich beeinflussen kann.
A. W.: Spastik äussert sich häufig in Form von Muskelschmerzen oder -steifheit, die natürliche Bewegungen behindern. Beispielsweise kann ein Arm gebeugt bleiben, eine Hand zu einer Kralle werden oder ein Bein schwer auszustrecken sein. Diese Symptome treten in der Regel in den Wochen oder Monaten nach dem Schlaganfall auf und beeinträchtigen die täglichen Bewegungen. Bei Symptomen sollte ein Facharzt aufgesucht werden, um eine genaue Diagnose zu stellen und eine angemessene Behandlung zu beginnen.
Was sollten Patient:innen tun, wenn sie spastische Symptome nach einem Schlaganfall bemerken?
A. W.: Der erste Schritt besteht darin, einen auf Rehabilitation spezialisierten Arzt (Physikalische Medizin und Rehabilitation) oder einen Neurologen zu konsultieren, der die Situation beurteilen kann. Parallel dazu können die Patient:innen und ihre Angehörigen bereits damit beginnen, ein Tagebuch über die Symptome zu führen: wann sie auftreten, wie stark sie sind und welche Aktivitäten sie verschlimmern.
H. R.: Patient:innen sollten spastische Symptome nach einem Schlaganfall aktiv beim Hausarzt oder Neurologen ansprechen.
Welche Therapieoptionen gibt es?
I. E. H.: Es gibt verschiedene Therapieoptionen, die individuell auf die Bedürfnisse der Patient:in- nen abgestimmt werden. Eine zentrale Rolle spielt die Physiotherapie, die dabei hilft, die Beweglichkeit zu verbessern, die Muskulatur zu stärken und Muskelverkürzungen vorzubeugen. Ergänzend dazu können muskelentspannende Medikamente eingesetzt werden, um die Muskelsteifheit zu reduzieren. Eine weitere Option ist die lokale Behandlung mit einem Muskelrelaxans um die übermässige Spannung zu verringern.
H. R.: Bei Spastik kommen Physiotherapie, Ergotherapie, systemische Therapien sowie die lokale Behandlung mit einem Muskelrelaxans zur Anwendung.
Was ist bei der Therapie zu beachten? Was sollten Pa- tient:innen vorab wissen?
H. R.: Bei Patient:innen mit Spastik führe ich zunächst eine ausführliche Untersuchung durch, um festzustellen, welche Muskelgruppen primär betroffen sind. Gemeinsam mit den Patient:innen lege ich realistische Therapieziele fest, etwa hinsichtlich Schmerzlinderung, Verbesserung der Hygiene oder funktioneller Beweglichkeit. Dann wird sich für ein Therapieschema entschieden. In 3-4 Sitzungen lässt sich dieses oft zufriedenstellend anpassen. Eine enge Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Ergotherapeuten ist entscheidend, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
I. E. H.: Wichtig ist, dass die Therapie individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt wird. Die Behandlung mit Arzneimitteln ist immer Teil von einem Therapiekonzept mit Physiotherapie und oder Ergotherapie.
Welche langfristigen Verbesserungen können durch eine konsequente Therapie erreicht werden?
I. E. H.: Die Behandlung mit Arzneimitteln ist immer Teil von einem Therapiekonzept mit Physiotherapie und oder Ergotherapie. Sie kann es den Patient:innen ermöglichen, die Kontrolle über ihre Bewegungen zurückzugewinnen und alltägliche Aktivitäten wieder eigenständig auszuführen. Dies führt oft zu einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität und Unabhängigkeit, insbesondere bei Patient:innen mit neurologischen Grunderkrankungen.
A. W.: Die Kontinuität der Behandlung ist ebenfalls ein wichtiger Punkt: Patient:innen, die einen gut strukturierten Behandlungsplan mit regelmässigen Sitzungen befolgen, stellen oft über mehrere Jahre hinweg eine allmähliche Verbesserung fest. Dies führt nicht nur zu einer Verbesserung der Mobilität und der Positionierung, sondern auch zur Vermeidung anderer Komplikationen, die mit der Immobilität verbunden sind.
H. R.: Die übermässige Muskelspannung kann reduziert werden. Gleichzeitig können Schmerzen gelindert werden, wodurch die Lebensqualität der Patient:innen steigt. Die Beweglichkeit der betroffenen Körperregionen kann sich verbessern, was wiederum die Möglichkeiten für therapeutische Massnahmen wie Physiotherapie und Ergotherapie erweitert.
Welche Entwicklungen erwarten Sie in der Therapie von spastischen Symptomen?
I. E. H.: Es gibt vielversprechende Ansätze in der Forschung, wie funktionelle Elektrostimulation (FES) oder Rückenmarkstimulation, die möglicherweise die Behandlung von Spastik weiter verbessern können.
A. W.: Die Zukunft der Behandlung von Spastik ist vielversprechend. Zusätzlich zu den von meinem Kollegen erwähnten Ansätzen erforscht die Medizin die Kryoneurolyse, bei der die motorischen Nerven, die für die Symptome verantwortlich sind, mit Hilfe von Kälte vorübergehend blockiert werden. Diese Technik befindet sich noch in der Entwicklung und könnte für einige Patient:innen, die auf herkömmliche Behandlungen nicht gut ansprechen, eine ergänzende oder alternative Lösung darstellen.
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