Albinismus: zwischen genetischem Rätsel und kulturellem Reichtum

Albinismus

Albinismus war lange Zeit von Mythen und Glaubensvorstellungen umgeben. Er zeichnet sich durch das Fehlen oder eine erhebliche Reduzierung der Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen aus. Über das äussere Erscheinungsbild hinaus wirft diese genetische Besonderheit wichtige Fragen im Hinblick auf das Sehvermögen und den Schutz vor Sonnenstrahlen auf. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte haben es ermöglicht, das Phänomen besser zu verstehen und die Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Von Adeline Beijns

Verständnis dieser Besonderheit

Albinismus ist eine genetische Besonderheit, die durch das Fehlen oder die erhebliche Reduzierung des Pigments Melanin in Haut, Haaren und Augen gekennzeichnet ist. Diese Besonderheit betrifft sowohl Menschen als auch viele Tierarten. Entgegen der allgemeinen Vorstellung handelt es sich beim Albinismus nicht nur um ein rein optisches Phänomen.

Die geringe Produktion von Melanin hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere auf das Sehvermögen und den Schutz vor UV-Strahlen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist schätzungsweise eine von 20‘000 Personen weltweit von Albinismus betroffen, obwohl diese Häufigkeit in bestimmten Regionen Afrikas wesentlich höher sein kann. In Ländern wie Tansania wird sogar angenommen, dass eine von 1‘400 Personen an Albinismus leiden könnte.

Genetische Ursachen und familiäre Vererbung

Albinismus entsteht in der Regel durch Mutationen in bestimmten Genen, die an der Melaninproduktion beteiligt sind. Diese Gene werden vererbt, was bedeutet, dass der Albinismus von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird, wobei die Übertragungsmuster unterschiedlich komplex sein können. Es gibt verschiedene Formen des Albinismus, darunter der okulokutane Albinismus, der Augen, Haut und Haare betrifft, sowie der okulare Albinismus, bei dem nur die Augen betroffen sind. In allen Fällen besteht die Hauptproblematik darin, dass der Körper Schwierigkeiten hat, Melanin richtig zu produzieren oder zu verteilen.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Das Sehvermögen ist einer der sensibelsten Aspekte beim Albinismus. Betroffene Personen können verschiedene Sehprobleme haben, wie zum Beispiel Nystagmus (unwillkürliche Augenbewegungen), Photophobie (erhöhte Lichtempfindlichkeit), Strabismus (Schielen) oder Probleme mit der Sehschärfe. Melanin spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Netzhaut und der Bildung der Fovea, dem Bereich des Auges, der für das Erkennen von Details und Farben verantwortlich ist. Das Fehlen oder die geringe Menge an Melanin kann daher zu mehr oder weniger ausgeprägten Sehstörungen führen, die oft eine regelmässige augenärztliche Betreuung und das Tragen spezieller Brillen erfordern.

Auch die Haut ist extrem empfindlich, da Melanin als natürlicher Schutzschild gegen schädliche UV-Strahlen wirkt. Bei betroffenen Personen kann es sehr schnell zu Sonnenbränden kommen, was das Risiko für Hautveränderungen oder sogar Hautkrebs erhöht. Diese Lichtempfindlichkeit macht den Gebrauch von Sonnencremes mit hohem Lichtschutzfaktor, das Tragen schützender Kleidung und die Vermeidung von längerer Sonnenexposition, insbesondere während der stärksten Sonnenstunden, erforderlich.

Jenseits der Vorurteile

Obwohl der Albinismus heute dank wissenschaftlicher Fortschritte und einer zunehmenden Sensibilisierung besser bekannt ist, bleibt er in vielen Gesellschaften dennoch eine Quelle von Diskriminierungen und Vorurteilen. Einige Menschen sind verletzenden Bemerkungen oder Stigmatisierungen aufgrund ihres äusseren Erscheinungsbildes ausgesetzt. In einigen Ländern, insbesondere in Afrika, steht der Albinismus im Zentrum gefährlicher Glaubensvorstellungen und bedrohlicher Aberglauben, was oft zu sozialer Ausgrenzung und Gewalt führt. Diese Situation kann für die Betroffenen zu erheblichen psychischen und sozialen Problemen führen.

Albinismus in der Modewelt

In der Modewelt haben mehrere Albino-Models internationale Bekanntheit erlangt und damit dazu beigetragen, die Mentalitäten zu verändern und eine neue Vorstellung von Schönheit zu fördern. Zu den bekanntesten gehören Shaun Ross, eines der ersten männlichen Albino-Models, das für grosse Modemarken lief. Diandra Forrest wurde bereits in jungen Jahren entdeckt und schnell zu einer Ikone und Sprecherin für Inklusion und Diversität. Die Südafrikanerin Thando Hopa zierte die Titelseiten prestigeträchtiger Magazine und setzt sich für eine bessere Darstellung von Albinos in den Medien und der Werbung ein. Schliesslich war Connie Chiu aus Hongkong eines der ersten Albino-Models, die in den 1990er Jahren in der Haute Couture auftraten und den Weg für andere Persönlichkeiten ebneten, die traditionelle ästhetische Normen hinterfragten.

Und die Tiere?

Albinismus ist keine rein menschliche Besonderheit. Viele Tierarten können ebenfalls betroffen sein, von Säugetieren über Vögel bis hin zu Reptilien und Fischen. In Wäldern sieht man gelegentlich vollkommen weisse Hirsche, albinoartige Delfine oder sogar schlangenartige Tiere ohne jegliche Pigmentierung. Im Tierreich kann dieses einzigartige Erscheinungsbild ein erhebliches Überlebenshindernis darstellen, insbesondere wenn es darum geht, Raubtieren zu entkommen oder sich zu tarnen. Albino-Tiere, die leichter zu erkennen sind, haben oft grössere Schwierigkeiten, sich in ihrer natürlichen Umgebung zu verstecken. Dennoch werden einige von ihnen zu wahren Medienstars oder Maskottchen, die das Staunen und Interesse der Öffentlichkeit wecken. Das bekannteste Beispiel ist wahrscheinlich «Schneeflocke» (Snowflake), der Albino-Gorilla des Zoos von Barcelona, der Generationen von Besuchern bis zu seinem Tod im Jahr 2003 beeindruckte. Im Ozean wird der seltene Albino-Buckelwal «Migaloo» regelmässig vor der australischen Küste beobachtet und löst bei Wissenschaftler:innen und der Öffentlichkeit gleichermassen Begeisterung aus.

Eine inklusivere Zukunft

Albinismus ist nicht nur ein ästhetisches Phänomen. Es betrifft gleichermassen medizinische und soziale Aspekte. Wissenschaftliche und medizinische Fortschritte ermöglichen es heute, die genetischen Ursachen des Albinismus besser zu verstehen, Sehstörungen zu behandeln und Risiken im Zusammenhang mit Sonnenexposition zu vermeiden. Das Verständnis und die Aufklärung über den Albinismus sind ein weiterer Schritt in Richtung einer besseren Inklusion.

 

Referenz: https://www.futura-sciences.com/sciences/actualites/sciences-hypermnesie-souvenirs-ne-disparaissent-jamais-113384/

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Intervallfasten: Essen nach Zeit, eine gute Strategie?

Intervallfasten, auch als intermittierendes Fasten bezeichnet, ist mehr als nur ein Trend. Es ist ein Überbegriff für verschiedene Ernährungsstrategien, die mit geplanten Essenspausen arbeiten, anstatt sich auf spezifische Lebensmittel zu konzentrieren wie andere Diäten. Deswegen wird es von Anwender:innen als weniger restriktiv empfunden. Obwohl Fasten eine Praxis ist, die seit Jahrtausenden in vielen Kulturen und Religionen verankert ist, stellen die heute populären Formen moderne Adaptationen dar.

Loading

Mehr lesen »

Augenmeditation: Die Anti-Müdigkeitspause

Wir verbringen immer mehr Zeit vor Bildschirmen. Sei es bei der Arbeit, beim Lernen oder einfach zur Unterhaltung. Das Ergebnis: Unsere Augen werden ständig beansprucht und wir können unter Müdigkeit, Augentrockenheit oder auch Kopfschmerzen leiden. Aufgrund dieser Tatsache entsteht eine Praxis, die bei Gesundheitsfachleuten auf wachsendes Interesse stösst: die Augenmeditation.

Loading

Mehr lesen »

Wie ein CGM-System Alexandrus Alltag verändert hat

Millionen von Menschen leben mit Diabetes, einer chronischen Erkrankung, die ständige Wachsamkeit erfordert. Zum Glück haben technologische Fortschritte wie die kontinuierliche Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring, CGM) mit einem Sensor ihren Alltag verändert und ihnen mehr Unabhängigkeit und eine bessere Lebensqualität ermöglicht. Alexandru, 63, rüstiger Rentner und ehemaliger Mitarbeitender der Intensivstation im Waadtländer Universtitätsspital (CHUV), erzählt von seinen Erfahrungen mit Diabetes und wie ein CGM-System einen Wendepunkt in seinem Leben darstellte.

Loading

Mehr lesen »

Arthrose oder Rotatorenmanschette: Wenn die Schulterprothese das Leben verändert

Anhaltende Schmerzen, stark eingeschränkte Beweglichkeit – die fortgeschrittene Schulterarthrose und die irreparable Ruptur der Rotatorenmanschette sind zwei Erkrankungen, die das Alltagsleben stark beeinträchtigen. Wenn konservative Therapien an ihre Grenzen stossen, kann die Implantation einer Schulterprothese in Betracht gezogen werden. Doch nach welchen Kriterien ist ein solcher Eingriff zu empfehlen? Welche Unterschiede gibt es zwischen Arthrose und einer Rotatorenmanschettenruptur? Zur Klärung dieser beiden Fragestellungen haben wir uns mit Dr. Paolo Fornaciari, selbstständiger Facharzt für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Schulter- und Ellenbogenchirurgie und Sportmedizin, getroffen.

Loading

Mehr lesen »

Sagen Sie Stopp zur Überexposition: Augenschutz im digitalen Zeitalter

Bildschirme sind in unserem Alltag allgegenwärtig geworden. Sei es, dass wir gleich nach dem Aufwachen auf unser Smartphone schauen, bei der Arbeit den ganzen Tag vor dem Computer verbringen oder uns abends beim Serien ansehen entspannen. Doch gerade bei diesem einfachen Zugang zu Informationen und Unterhaltung sind unsere Augen meist stark gefordert. Überanstrengte Augen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Konzentrationsschwierigkeiten sind nur einige der Folgen, die mit einer intensiven Nutzung von Bildschirmen verbunden sind. Wie können wir unsere Augen schützen, ohne uns von einer immer digitaler werdenden Welt abzuschneiden?

Loading

Mehr lesen »

So geht Sex ganz ohne Stress

Sex lässt sich heute viel freier ausleben und wird doch weniger praktiziert. Partnersex – also der Geschlechtsakt mit einer anderen Person – nimmt ab. Warum nicht einfach weniger Sex, dafür mit mehr Lust? Und was tun, damit das Sexleben wieder Spass macht? Die Sexologin Caroline Fux ordnet ein.

Loading

Mehr lesen »