Die versteckten Gefahren von Rhythmusstörungen

Rhythmusstörungen

Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen, insbesondere bei älteren Menschen. Im Interview erläutern die Herzspezialisten Prof. Dr. Christian Sticherling vom Universitätsspital Basel und Prof. Dr. Tobias Reichlin vom Inselspital Bern die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten – von der Schlaganfallprävention bis hin zur innovativen Pulsed Field Ablation. Von Anna Meier

 

Was ist Vorhofflimmern und welches sind die Symptome?

Christian Sticherling: Vorhofflimmern (VHF) ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die vor allem ältere Menschen betrifft; bei Personen über 80 Jahren liegt die Erkrankungsrate bei etwa 20%. Während das Herz normalerweise im Sinusrhythmus schlägt, flimmern die Vorhöfe bei VHF schnell und unkoordiniert (300–400 Mal pro Minute), was zu einem unregelmässigen Herzschlag führt. Rund 90% der Betroffenen zeigen Symptome wie Atemnot, Herzklopfen, Müdigkeit oder Schwindel. Selten kann sich Vorhofflimmern erstmalig durch einen Hirnschlag bemerkbar machen. Bei vielen Patient:innen tritt das Vorhofflimmern in Schüben auf.

Tobias Reichlin: Das Vorhofflimmern gehört zu den häufigsten Herzleiden der Bevölkerung. Die Patient:innen bemerken zumeist einen unregelmässigen Herzschlag, sie sind von Herzrasen und/ oder Herzstolpern betroffen. Manche berichten über ein Engegefühl im Brustkorb, das bis zu Todesangst führen kann. Allerdings gibt es auch Patient:innen, die keinerlei Symptome haben und bei denen die Diagnose ein Zufallsbefund ist. Jeder dritte Hirnschlag wird durch Vorhofflimmern verursacht, weshalb das Erkennen von VHF über das Herz hinaus von grosser Bedeutung ist.

Welche Risikofaktoren können Vorhofflimmern begünstigen?

Tobias Reichlin: Grundsätzlich gilt: Je älter man ist, desto häufiger tritt VHF auf. Allerdings kommt Vorhofflimmern auch bei unter 50-Jährigen vor; hier spielt die genetische Komponente eine Rolle. Weitere behandelbare Risikofaktoren sind u.a. hoher Blutdruck, Diabetes, Übergewicht und Bewegungsmangel. Ebenso tritt VHF praktisch bei allen schweren Herzerkrankungen auf, weshalb man diese jeweils genau abklären muss.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es derzeit in der Schweiz?

Christian Sticherling: Das Behandlungsziel ist es, den normalen Herzrhythmus wiederherzustellen oder Symptome zu lindern. Dabei hängt die passende Therapie von Faktoren wie der Dauer und Häufigkeit des Vorhofflimmerns sowie dem Allgemeinzustand der Betroffenen ab. Primär muss überlegt werden, ob blutverdünnende Medikamente nötig sind, um das Schlaganfallrisiko zu senken. Während medikamentöse Therapien gegen VHF verfügbar sind, bietet die elektrische Pulmonalvenenisolation eine effektive und langfristige Lösung. Bei dieser minimalinvasiven Methode werden die Pulmonalvenen, in den oft das VHF entspringt, verödet, was besonders bei Patient:innen sinnvoll ist, bei denen eine Wiederherstellung des Sinusrhythmus möglich ist. Für Patient:innen mit langanhaltendem VHF ist die Chance auf Rhythmuskontrolle geringer; hier liegt der Fokus auf der Kontrolle der Herzfrequenz. Eine Kombination aus Herzschrittmacher und Verödung, bekannt als «Pace and Ablate», kann in diesen Fällen eine Lösung bieten.

Tobias Reichlin: Zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern wird das individuelle Risiko der Patient:in eingeschätzt, wobei die grosse Mehrheit eine Blutverdünnung benötigen. Gleichzeitig müssen die erwähnten kardiovaskuläre Risikofaktoren reduziert werden. Die Therapie der Rhythmusstörung selber kann entweder durch Rhythmusoder Frequenzkontrolle erfolgen, mittels Medikamenten oder durch einen Kathetereingriff. Mit diesen Massnahmen lässt sich die Häufigkeit des Vorhofflimmerns meist wesentlich reduzieren. Der Erfolg der Rhythmuskontrolle mittels einer Ablation hängt stark von der individuellen Situation der Betroffenen ab – je länger das VHF bereits besteht, desto geringer sind die Erfolgsaussichten.

Welche Vorteile bietet die Pulsed Field Ablation für die Patient:innen? Was können Sie über die Sicherheit und Zuverlässigkeit sagen?

Tobias Reichlin: Bei der Pulmonalvenenisolation wird die elektrische Verbindung zwischen Pulmonalvenen und dem Herzen unterbrochen. Seit 25 Jahren werden dabei thermische Verfahren wie Wärme oder Kälte eingesetzt, die jedoch auch umliegendes Gewebe beeinträchtigen können. Dies birgt gewisse Risiken für Nervenschäden oder Verletzungen der Speiseröhre. Die neuere Methode der Pulsed Field Ablation (PFA) wirkt gezielt auf Herzmuskelzellen und schont das umliegende Gewebe, wodurch der Eingriff sicherer und schneller wird. So können mehr Patient:innen behandelt und die Narkosezeiten verkürzt werden. Wir nutzen dieses Verfahren aktuell in über 90% der Katheter-behandlungen von Vorhofflimmern.

Christian Sticherling: Die Pulsed Field Ablation setzt nicht auf Hitze oder Käl- te, wie andere Ablationsmethoden, sondern auf elektrische Impulse, die gezielt Zellen zerstören. Dadurch vernarben die betroffenen Bereiche und das Vorhofflimmern kann zumeist gestoppt werden. Diese Methode ist schneller, sicherer und schonender als herkömmliche Verfahren.

Einer der Katheter, den Sie zur Ablation verwenden, hat die Form einer Blume. Können Sie erklären, wie er funktioniert?

Christian Sticherling: Der Katheter hat tatsächlich eine spezielle Form: Er kann zu einer Blume oder einem Ball geformt werden, je nachdem, wie er eingesetzt wird. Der Katheter hat 20 Elektroden, die den elektrischen Impuls abgeben. Er wird über einen Draht in die Vene eingeführt und an die Herzwand des linken Vorhofs gepresst. Der «Blüten»-Katheter hat fünf kleine Blätter, und jedes dieser Blätter enthält Elektroden, die helfen, das Gewebe präzise zu behandeln.

Tobias Reichlin: Zunächst wird ein Führungsdraht in die Lungenvenen eingeführt. Sobald der Katheter an der richtigen Position ist, kann er stufenweise aufgefaltet werden, wobei sich die einzelnen «Blütenblätter» an der Herzwand anpassen. Diese spezielle Form sorgt dafür, dass der Katheter gut an der Herzwand anliegt und die Ablation zielgerichtet und effizient durchgeführt werden kann. Dieses Design ist einzigartig und verbessert die Präzision des Eingriffs erheblich.

Die «European Society of Cardiology» (ESC) hat soeben ihre neuen Richtlinien zur Behandlung von Vorhofflimmern veröffentlicht. Was sind für Sie die wichtigsten Neuerungen?

Christian Sticherling: Der Schwerpunkt liegt nun stärker auf vermeidbaren Risikofaktoren. Patient:innen mit Vorhofflimmern sollten ihren Lebensstil verbessern und Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen und übermässigen Alkoholkonsum vermeiden. Darüber hinaus wird die Katheterablation nun der medikamentösen Therapie gleichgestellt. Dies ermöglicht den frühzeitiger Einsatz einer Ablation, wenn sie für die Betroffenen die bessere Option darstellt, anstatt zunächst Medikamente zu verschreiben.

Dieser Artikel wurde mit der freundlichen Unterstützung von Boston Scientific Schweiz realisiert
Die unabhängige Meinung der Ärzte wurde vollständig respektiert

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