
Clara, 47, Mutter zweier Teenager, arbeitet Teilzeit in einer Marketingagentur. Mit Anfang 20 erhielt sie die Diagnose Multiple Sklerose (MS) – ein harter Schlag, der sie jedoch nicht davon abhielt, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Heute lebt sie auf dem Land, wo die Natur ihr Kraft gibt. Trotz der Herausforderungen ihrer Krankheit, meistert Clara ihr Leben mit bemerkenswerter Stärke und Positivität. Von Noémie Aeschlimann
Vom aktiven Leben zur Unsicherheit
Rückblick ins Jahr 2022: Clara führt ein weitgehend aktives Leben mit ihrer Multiplen Sklerose. Nebst ihrer Arbeit joggt sie regelmässig, engagiert sich in ihrer Gemeinde und geniesst die Zeit mit ihrer Familie. Irgendwann bemerkt sie seltsame Veränderungen in ihrem Körper. Sie verspürt einen verstärkten Harndrang, der plötzlich und unerwartet auftritt. Immer häufiger muss sie sich bei der Arbeit aus Meetings schleichen, um die Toilette aufzusuchen, oft ohne Vorwarnung. Zunächst vermutet sie, dass es mit ihrer MS zusammenhängt. «Vielleicht geht’s ja von selbst wieder weg», versucht sie sich zu beruhigen.
Stille Isolation als Folge
Doch die Symptome bleiben bestehen und verschlechtern sich sogar. Der plötzliche Harndrang lässt sich kaum noch kontrollieren und es kommt zu unangenehmen Zwischenfällen, bei denen sie den Harnverlust nicht rechtzeitig verhindern kann. Clara beginnt, Orte gezielt nach der Verfügbarkeit von Toiletten auszuwählen und sich so zu kleiden, dass etwaige Zwischenfälle kaschiert werden können. «Es war mir unangenehm und ich hatte Angst, das Haus zu verlassen und es nicht rechtzeitig auf die Toilette zu schaffen. Ich isolierte mich immer mehr.»
Die Blasenproblematik führt dazu, dass Clara beginnt, ihre sozialen Aktivitäten und beruflichen Verpflichtungen stark einzuschränken. Die Angst vor einem plötzlichen unkontrollierten Harnverlust ist allgegenwärtig. Der Kontrollverlust über ihre Blase fühlt sich für sie an wie ein weiterer Schicksalsschlag, der ihre Unabhängigkeit und ihr Selbstvertrauen beeinträchtigt. «Ich verlor die Freude am Leben und mein Stresspegel stieg», erinnert sie sich. Dieser Umstand belastet nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familie. Trotz der Unterstützung ihres Mannes und ihrer Kinder fühlt sich Clara oft einsam und schämt sich für ihre Blasenprobleme.
Starker Wunsch nach mehr Lebensqualität
Nachdem sich Claras Symptome immer weiter verschlimmern, beschliesst sie, ihre Neurologin aufzusuchen, die sie seit Jahren wegen ihrer MS begleitet. Diese überweist Clara an einen Urologen, um ihre Beschwerden genauer abzuklären. Es werden verschiedene diagnostische Tests durchgeführt, darunter eine Harnstrahlmessung. Clara wird aufgefordert, über fünf Tage hinweg ein Tagebuch zu führen, um Daten über ihre Blasenfunktion zu sammeln. Nach der Auswertung erhält Clara die Diagnose «Neurogene Detrusorhyperaktivität.» Diese Erkrankung, die mit ihrer Multiplen Sklerose zusammenhängt, beeinträchtigt die Nervenverbindungen zwischen Gehirn und Blase gravierend. «Einerseits war ich erleichtert, endlich Bescheid zu wissen, andererseits machte mir diese Diagnose auch Angst.»
Neue Perspektiven
Der Urologe schlägt Clara verschiedene Behandlungsoptionen vor und empfiehlt ihr eine Kombination aus Medikamenten zur Dämpfung der Blasenaktivität und zusätzlichem Blasentraining. Dabei soll sie lernen, den Harndrang immer weiter hinauszuzögern, bis sich normale Miktionsvolumina und -frequenzen einstellen. «Anfänglich war ich skeptisch», so Clara, «da ich bereits viele Medikamente gegen meine MS einnehmen musste.» Aber die Hoffnung auf Unabhängigkeit und bessere Lebensqualität sind stärker als ihre Angst vor weiteren möglichen Nebenwirkungen.
Zurück ins Leben
Heute – zwei Jahre nach ihrer Diagnose der neurogenen Detrusorhyperaktivität – geht es Clara viel besser. «Die Therapie hat mir geholfen, den Weg ins aktive Leben zurückzufinden und mich wieder frei und unbeschwert zu fühlen. Trotz meiner MS kann ich meinen Alltag wieder ohne grosse Einschränkungen bewältigen. Dafür bin ich sehr dankbar.»
