
Der tägliche Umgang mit Diabetes kann eine grosse Herausforderung darstellen, insbesondere für Patientinnen und Patienten, die ihren Blutzuckerspiegel besser kontrollieren möchten. Das kontinuierliche Glukosemess-System (CGM) ist ein technologischer Durchbruch, der die Situation für viele Diabetikerinnen und Diabetiker verändert. Dr. med. Aurélie Marie Loireau, Endokrinologin und Diabetologin in Lausanne, erklärt uns heute, was es mit diesem Gerät auf sich hat und wie es sich auf die Betroffenen auswirkt. Von Adeline Beijns
Können Sie uns erklären, was Diabetes ist und welche Auswirkungen es auf den Alltag der Betroffenen hat?
Diabetes ist eine chronische Erkrankung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Blutzuckerspiegel nicht mehr reguliert werden kann und zu hoch wird. Grundsätzlich wird zwischen zwei Haupttypen unterschieden, die jeweils eine spezifische Behandlung erfordern. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die von Anfang an eine Insulintherapie erfordert. Typ-2-Diabetes entwickelt sich dagegen allmählich und steht in direktem Zusammenhang mit Gewichtszunahme und Bewegungsmangel. Da die Hyperglykämie in beiden Fällen meist unbemerkt und ohne regelmässige Blutzuckerkontrolle verläuft, drohen den Patient:innen langfristig schwere Komplikationen wie Augen-, Nieren-, Herz- und Nervenschäden. Im Alltag stellt Diabetes hohe Anforderungen an die Betroffenen: regelmässige Blutzuckerkontrolle, lebenslange Einnahme von Medikamenten, angepasste Ernährung und regelmässige Bewegung.
Wie kann eine gute Patientenversorgung gewährleistet werden und welche Lösungen stehen den Patientinnen und Patienten zur Verfügung?
Diabetes ist nicht gleich Diabetes und entsprechend unterschiedlich sind die Behandlungsansätze. Generell gilt: Um Menschen mit Diabetes gut zu betreuen, ist es wichtig, ihnen Instrumente an die Hand zu geben, die auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Das beginnt mit einer therapeutischen Schulung, in der sie lernen, ihre Krankheit zu verstehen und im Alltag damit umzugehen. Für die Überwachung des Blutzuckerspiegels stehen heute mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: Kapillarblutzuckermessungen oder Geräte zur kontinuierlichen Blutzuckermessung, so genannte CGMs (Continuous Glucose Measurement Systems). Letztere sind besonders interessant, da sie eine kontinuierliche Überwachung des Blutzuckerspiegels ermöglichen und den Patientinnen und Patienten in Echtzeit einen Überblick über ihren Blutzuckerspiegel geben.
Können Sie uns mehr über kontinuierliche Glukosemesssysteme erzählen?
CGM-Systeme sind kleine Sensoren auf der Haut, die man alle 10 bis 14 Tage selbst wechseln muss. Sie messen kontinuierlich den Zuckerwert, der direkt an ein Gerät oder eine App auf dem Smartphone übertragen wird. Für die Patientinnen und Patienten ist das ein echter Vorteil: Sie können ihren Glukosespiegel überwachen, ohne sich immer wieder in den Finger stechen zu müssen. So können sie im Alltag ihre Insulindosis, ihre Aktivitäten (Sport) und ihre Ernährung anpassen und schneller auf plötzliche Blutzuckerschwankungen reagieren.
Für wen sind sie geeignet?
CGM-Systeme sind in erster Linie für Patientinnen und Patienten mit intensiver Insulintherapie indiziert, z.B. für Menschen mit Typ-1-Diabetes und einige Typ-2-Patient:innen, die mehrere Insulininjektionen pro Tag benötigen. Aber auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die noch keine Insulintherapie erhalten, können diese Geräte wertvolle Informationen über das Diabetesmanagement liefern.
Sind diese Geräte erstattungsfähig?
In der Schweiz werden CGM-Geräte in bestimmten Situationen erstattet: bei Personen, die eine intensivierte Insulintherapie mit mehreren Injektionen pro Tag erhalten. Voraussetzung für die Kostenübernahme ist ein Rezept einer Fachärztin oder eines Facharztes, einer Endokrinologin oder eines Endokrinologen bzw. einer Diabetologin oder eines Diabetologen. Ausserdem muss das Gerät in der Liste der erstattungsfähigen Medikamente und Geräte, der sogenannten MiGeL, aufgeführt sein.
Ihr persönliches Schlusswort?
Ich würde sagen, dass die Fortschritte in der Diabetesüberwachung einen grossen Schritt nach vorne bedeuten, um die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Für Menschen, die noch nicht auf Insulin angewiesen sind, kann ein CGM-System ein wertvolles Instrument sein, um ihre Situation besser zu verstehen, auch wenn es nicht systematisch eingesetzt wird. Das Wichtigste ist, dass alle Betroffenen in Absprache mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt eine individuelle Betreuung erhalten, um bestmöglich mit Diabetes leben zu können.
