Liebeskummer: Wie umgehen mit einem gebrochenen Herzen?

Ob unerfüllte Liebe, schwere Trennung oder Betrug: Liebeskummer wird unterschätzt. Die Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele können immens sein. Wie umgehen mit dem Schmerz, der immer noch zu oft belächelt wird? Von Nicole Westenfelder, SRF Puls

 

Die Gefühle

Ein Gefühl der Orientierungslosigkeit, ein Absturz, der Magen, der auf den Hals drückt – und manchmal sogar das Gefühl «Jetzt sterbe ich dann gleich»: Liebeskummer ist eines der schlimmsten Gefühle, die wir Menschen haben können. So hoch uns die Liebe in den Himmel hebt, so tief fallen wir, wenn sie uns abhandenkommt. Oder wie es Johnny aus Bern in der SRF-Sendung Puls (QR-Code zur Sendung siehe unten) beschreibt: «Ä Fuuscht id Frässi».

Keine «Schulhof-Krankheit»

Die Auswirkungen von Liebesentzug auf Körper, Geist und Seele sind gut erforscht. Wenn wir verliebt sind, sind vor allem zwei Regionen in unserem Gehirn aktiviert: das Belohnungssystem und der Bereich, der bei Drogensucht oder anderen Süchten stimuliert ist. Nach einer Trennung sinkt der Botenstoff Dopamin, der für Glücksgefühle zuständig ist. Wir sind auf Entzug. Dafür steigen die Level der Stresshormone Adrenalin und Cortisol: Wir sind gestresst, haben Herzrasen und schlafen schlecht. Dazu können Magen- und Kreislaufprobleme kommen. Eine innere Unruhe belastet den Körper. Man fühlt sich zerschlagen.

Die Gedanken kreisen, wir können uns nicht konzentrieren und leisten weniger in der Schule oder im Beruf. Hinzu kommt Appetitlosigkeit oder übermässiges Essen. Im schlimmsten Fall bricht das Herz im wahrsten Sinn des Wortes: Man spürt einen «Quasi-Herzinfarkt» mit starken Brustund Herzschmerzen, Atemnot, Todesangst. Laut dem Heidelberger Psychiater und Arzt für psychosomatische Medizin Günter Seidler wird Liebeskummer oft unterschätzt oder als «Schulhofkrankheit» belächelt – mit fatalem Ergebnis.

In seiner Forschung konnte Seidler nachweisen, dass der Liebeskummer ernsthafte traumatische Belastungsstörungen hervorrufen kann. Durchaus vergleichbar mit den Folgen eines Gewaltereignisses wie einer Kriegsoder Nahtoderfahrung.

Wann eine Trennung sehr schmerzt

Wie krank eine Trennung und der folgende Liebeskummer machen, hängt von der jeweiligen Situation ab. Es gibt Menschen, die sind resilienter und verarbeiten Liebeskummer besser als andere. Aber in bestimmten Situationen sind Menschen besonders gefährdet für Liebeskummer: Wenn es zum Beispiel auch in anderen Lebensbereichen gerade nicht gut läuft – wie etwa bei der Arbeit – oder jemand auf eine andere Weise seelisch hilfsbedürftig ist.

Teenager besonders gefährdet

«Besonders gefährdet sind auch Teenager», sagt Jacqueline Frossard, Psychotherapeutin in Basel. «Wer sich zum ersten Mal verliebt, hat noch nicht die Erfahrung, dass eine neue Liebe auftauchen kann.» Frossard hat Tipps, wie Eltern am besten mit Teenagern umgehen, die ein gebrochenes Herz haben. Der wichtigste: ernst nehmen, den Liebeskummer nicht belächeln. Gut wäre auch, von der eigenen ersten Liebeskummererfahrung zu erzählen: «Man kann erzählen, wer und wie schlimm das gewesen ist. Und wie gut die Trennung auch war, weil sonst hätte man ja den Vater oder die Mutter vom Kind nicht kennengelernt. Das kann man aufzeigen.»

Trennungsgrund Untreue

Untreue ist ein oft zitierter Grund für Liebeskummer und führt in vielen Fällen zur Trennung. Laut einer Studie hat schon jede zweite Person in der Schweiz Erfahrung mit Untreue gemacht. 22% der Seitensprünge führen unmittelbar zur Trennung. Bei 28% wird die Beziehung nicht sofort, aber später beendet – wegen des Seitensprungs. Untreue erschüttert, weil ein enormer Vertrauensbruch stattfindet. Hinzu kommt das Gefühl, auswechselbar zu sein.

Besonders schwierig ist das Gefühl, der eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen zu können, wenn man vom Seitensprung nichts mitbekommen hat. Nicht immer führt Untreue zur Trennung. «Man muss sich einig werden, wie das in Zukunft weitergehen soll. Dafür braucht es viel Offenheit und verbindliche Abmachungen», meint Frossard. Studien sagen: Nach ein bis zwei Jahren sollte der Liebeskummer verarbeitet sein. Wer es monatelang nicht schafft, im Alltag wieder einigermassen zu funktionieren, sollte sich überlegen, Hilfe zu suchen.

WAS HILFT GEGEN LEBENSKUMMER?

Weitermachen! Essen, schlafen, sich bewegen. Sich nicht zu Hause verschanzen, sondern sich mit Freund:innen treffen.

Das «Warum?» nicht so ins Zentrum stellen: Irgendwann muss man akzeptieren, dass man vielleicht nicht alles erklärt bekommt und diese Ambivalenz ertragen.

Nicht in der Emotionalität und Wut stecken bleiben: Wer nur in alten Erinnerungen schwelgt, schafft keine neuen – und verbaut sich neue Chancen, zufrieden zu sein.

Loslassen: Zum x-ten Mal diskutieren wollen mit dem oder der Ex bringt nichts. Am besten löst man sich – zumindest für eine bestimmte Zeit – völlig von ihm oder ihr. Auch auf Social Media!

Der eigenen Rolle auf die Schliche kommen: Andere kann man nicht ändern, sich selbst schon. Einen liebevollen Blick auf sich selbst zu werfen hilft, sich in Zukunft vielleicht anders zu verhalten.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Wenn der Körper sich umstellt

Viele Frauen merken es an Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder Hitzewallungen: Der Körper stellt sich um. Aber was genau passiert in dieser Zeit? Was hilft gegen die Beschwerden und wann könnte auch Testosteron eine Rolle spielen? Im Interview teilt Dr. med. Kathrin Kern, Fachärztin FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe, ihre Einschätzungen und Erfahrungen.

Loading

Mehr lesen »

Gefangen im Gesundheitswahn – Einblicke in eine unsichtbare Sucht

Wenn das Streben nach Gesundheit zwanghaft wird, kippt das Gleichgewicht. Heute entstehen neue Formen der Sucht, die sich oft hinter als positiv empfundenen Verhaltensweisen verbergen: Sport und gesunde Ernährung. Bigorexie, die Sucht nach körperlicher Betätigung, und Orthorexie, das zwanghafte Streben nach gesundem Essen, können zu einem unsichtbaren Gefängnis werden. Jeanne Spachat, Autorin des Buches «La nouvelle vie d’un caméléon», hat diese extremen Verhaltensweisen selbst erlebt. Heute erzählt sie von ihrem inneren Kampf, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden.

Loading

Mehr lesen »

Zwangsstörungen: Wenn Rituale den Verstand beherrschen

Zwangsstörungen (Obsessive-Compulsive Disorder, kurz: OCD) betreffen weltweit Millionen von Menschen. Doch aufgrund von Stigmatisierung und Unverständnis bleiben sie oft im Verborgenen. Dabei sind diese Störungen weit mehr als nur eine «Manie» und können den Alltag der Betroffenen stark beeinträchtigen.

Loading

Mehr lesen »

Zittern: über Parkinson hinaus

Zittern, das durch unwillkürliche rhythmische Bewegungen eines oder mehrerer Körperteile gekennzeichnet ist, wird normalerweise mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass die Parkinson-Krankheit nicht die einzige Ursache für Zittern ist. Viele Gesundheitszustände können diese unwillkürlichen Bewegungen auslösen.

Loading

Mehr lesen »

Wenn das Tempo nicht mehr passt

Julie Cartwright, 43, war schon immer ein Mensch voller Energie. Zehn Jahre lang trainierte sie Kampfsport,
später spezialisierte sie sich auf Luftakrobatik. Daneben absolvierte sie ihr Masterstudium, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin und gründete mit einer befreundeten Person ein eigenes Luftakrobatik-Studio. Alles war in Bewegung, sie funktionierte perfekt im Hochleistungsmodus: körperlich, beruflich und mental.

Loading

Mehr lesen »