Die Bedeutung des Tastsinns: Warum Berührung so wichtig ist

Abgerufen von giphy.com

Berührung – das ist so viel mehr als nur ein flüchtiger Moment. Wenn wir jemandem die Hand schütteln, unserem Kind sanft über den Kopf streicheln oder dem Kollegen auf die Schulter klopfen, lösen wir Gefühle und Wohlbefinden aus, wir schaffen Vertrauen. Denn: Unser Tastsinn ist eine Fähigkeit, die uns von Geburt an begleitet und unser Leben in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Aber wie genau? Und warum ist dieser Sinn so entscheidend, gerade wenn es um die Entwicklung von Kindern oder um unsere psychische Gesundheit geht? Von Anna Meier

 

Der Tastsinn: Die erste Verbindung zur Welt

Schon Embryos im Mutterleib reagieren auf Hautreize, der Tastsinn ist praktisch nie ausgeschaltet: Er sendet unablässig Signale ans Gehirn, auch im Schlaf. In den ersten Lebensmonaten erkundet ein Kind die Welt hauptsächlich durch Berührung. Ob es die Haut der Eltern ist oder das Kuscheltier im Bettchen – all diese Erfahrungen helfen dem Kind, sich sicher und geborgen zu fühlen. Durch Berührungen lernen Kinder auch, ihren Körper und dessen Grenzen wahrzunehmen. Die zarte Berührung einer Hand oder eine liebevolle Umarmung fördern dabei nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Bindung zwischen Eltern und Kind.

Diese ersten Berührungen sind denn auch der Schlüssel zu einer gesunden emotionalen und sozialen Entwicklung. Studien zeigen, dass Kinder, die häufig berührt werden, weniger gestresst sind, schneller lernen und später im Leben leichter enge Beziehungen eingehen können. Wie existenziell Berührungen sind, zeigt sich auch bei frühgeborenen Babys – Je mehr nämlich die Frühchen gehalten und gestreichelt werden, desto mehr gleicht sich ihre Hirnaktivität jener von termingerecht geborenen Babys an. Berührung trage, laut einer Studie von amerikanischen und Lausanner Forschern aus dem Jahr 2017, deutlich zur gesunden Hirnentwicklung bei. Ebenso beruhigt sich bei Berührung der Herzschlag, die Atmung wird ruhiger, die zu früh geborenen Babys entspannen sich.

Berührung als Therapie: Wenn der Tastsinn heilt

Doch nicht nur bei der Entwicklung spielt der Tastsinn eine zentrale Rolle – er ist auch ein wichtiges Werkzeug in der Therapie. Gerade in der Physiotherapie oder Ergotherapie wird viel mit Berührung gearbeitet. Zum Beispiel können Massagen Muskelverspannungen lösen, Schmerzen lindern und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Doch es geht nicht nur um körperliche Heilung. Neuere Studien belegen die Kraft der Berührung bei psychisch kranken Menschen: So stellten Psychiatrieforscher 2014 an der Freien Universität Berlin fest, dass spezielle Massagen die Krankheitssymptome depressiver Patient:innen signifikant reduzieren können. Amerikanische Psycholog:innen gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie haben berechnet, dass die Effekte von Massagetherapien bei Depression gleich gut sind wie die von Psychotherapie.

Stressabbau durch Berührung: Einfache Tricks für mehr Entspannung

Berührungen sind Stresskiller. Schon eine kurze Umarmung oder das Streicheln eines Haustiers kann dafür sorgen, dass unser Körper Oxytocin ausschüttet – das sogenannte Kuschelhormon. Dieses Hormon hilft dabei, den Blutdruck zu senken und uns zu entspannen. Kein Wunder also, dass so viele Menschen sich beim Streicheln ihres Hundes oder ihrer Katze gleich viel ruhiger fühlen. Und dann gibt es da noch diese kleinen Hilfsmittel wie Stressbälle oder weiche Kissen, die man kneten oder drücken kann. Auch sie helfen, Stress abzubauen und sich besser zu konzentrieren. Der Grund? Durch das Fühlen und Drücken von weichen Materialien lenken wir uns ab, beruhigen unseren Körper und können uns so besser entspannen.

Fazit: Kleine Geste mit grosser Wirkung

Berührung ist so viel mehr als nur eine körperliche Reaktion. Sie ist ein Grundbedürfnis, das uns von klein auf begleitet und uns durchs Leben hilft. Ob in der Entwicklung eines Kindes, im therapeutischen Kontext oder einfach als Mittel zur Stressbewältigung – in einer Zeit, in der viele Dinge virtuell und auf Distanz ablaufen, dürfen wir die Kraft der Berührung nicht vergessen. Sie gibt uns nicht nur das Gefühl, geliebt und sicher zu sein, sondern hat auch die Fähigkeit, uns zu heilen und uns im Alltag zu unterstützen.

 
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Abonnieren Sie die Printversion von Gesundheitsecho, um Zugriff auf alle Informationen zum Thema zu haben: Erfahrungsberichte, Tests, nützliche Adressen, Infografiken und mehr.
Also warten Sie nicht länger!
CHF39.00
Oder abonnieren Sie direkt 8 Ausgaben!
CHF78.00

Loading

Teilen auf

Facebook

Weitere Artikel

Albinismus: zwischen genetischem Rätsel und kulturellem Reichtum

Albinismus war lange Zeit von Mythen und Glaubensvorstellungen umgeben. Er zeichnet sich durch das Fehlen oder eine erhebliche Reduzierung der Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen aus. Über das äussere Erscheinungsbild hinaus wirft diese genetische Besonderheit wichtige Fragen im Hinblick auf das Sehvermögen und den Schutz vor Sonnenstrahlen auf. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte haben es ermöglicht, das Phänomen besser zu verstehen und die Versorgung der Betroffenen zu verbessern.

Loading

Mehr lesen »

Schläge, Stösse, Verbrennungen: Schützen Sie Ihre Augen!

Die Augen sind ebenso kostbare wie empfindliche Organe. Jährlich führen zahlreiche Unfälle zu unterschiedlich schweren Augenverletzungen. In vielen Fällen könnten diese Verletzungen durch gute Prävention und eine frühzeitige Diagnose verhindert oder zumindest begrenzt werden. Welche Symptome sind Alarmzeichen für eine schwerwiegende Augenverletzung? Welche Massnahmen sollten ergriffen werden und welche gilt es zu vermeiden? Um das herauszufinden, haben wir Dr. Alessandra Sansonetti, Fachärztin für Augenheilkunde und augenchirurgische Eingriffe sowie ehemalige Präsidentin der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG), getroffen. Sie teilt mit uns ihr Fachwissen über Augenverletzungen und gibt praktische Tipps, wie man im Falle eines Unfalls richtig reagiert.

Loading

Mehr lesen »

Stechender Schmerz, endlose Geduld: die Arnold-Neuralgie

Jacqueline, 64, ist eine lebenslustige Frau. Sie liest und näht leidenschaftlich gern und hat immer Zeit gefunden, Kostüme für ihre vier inzwischen erwachsenen Kinder zu nähen. Sie freut sich auf
die Geburt ihres zweiten Enkelkindes und liebt es, mit ihrem Mann zu reisen, wie sie es kürzlich in
Französisch-Polynesien getan hat. Doch hinter dieser Vitalität verbirgt sich ein langer und zermürbender Kampf gegen eine unsichtbare Krankheit: die Arnold-Neuralgie.

Loading

Mehr lesen »

Die Psychologie der Farben: Wenn das Auge die Stimmung formt

Die Farbpsychologie der Farben ist ein faszinierendes Gebiet, das untersucht, wie Farben unsere Emotionen, unser Verhalten und sogar unser Wohlbefinden beeinflussen. Es handelt sich nicht nur um eine dekorative Modeerscheinung: Seit Jahrhunderten verbinden Zivilisationen bestimmte Farben mit spezifischen Bedeutungen, sei es, um Königswürde, Frieden oder Leidenschaft zu symbolisieren. Im Alltag kann eine einfache Farbveränderung in der Umgebung den Geist beruhigen oder ein Gefühl von Energie wecken.

Loading

Mehr lesen »

Farbenblindheit: Wenn die Farben Verstecken spielen!

Farbenblindheit, auch Dyschromatopsie genannt, ist eine Farbsehstörung, die die Fähigkeit einer Person beeinträchtigt, bestimmte Farben «normal» zu unterscheiden. Diese Anomalie ist oft genetisch bedingt und betrifft hauptsächlich Männer aufgrund eines defekten Gens, das mit dem X-Chromosom verknüpft ist. Tatsächlich leiden etwa 8% der Männer und nur 0,5% der Frauen an einer Form der Farbenblindheit.

Loading

Mehr lesen »

Aufklärung über Schizophrenie

Schizophrenie ist nach wie vor eine der am wenigsten verstandenen psychischen Erkrankungen. Häufig mit Vorurteilen behaftet, weckt sie in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch unbegründete Ängste. Die komplexe Erkrankung betrifft etwa 1% der Bevölkerung und erfordert mehr Aufklärung, damit die Betroffenen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen.

Loading

Mehr lesen »