Die Mitteilung einer Krebsdiagnose ist sowohl für Patienten als auch für Ärzte ein schwieriger Schritt. Für die einen ist es die Angst vor dem Schlimmsten und dem Unbekannten, für die anderen ist es, die richtigen Worte zu finden, um eine schwierige Diagnose zu verkünden. Seit mehreren Jahren gibt es spezifische Schulungen, die Fachkräften helfen, besser mit ihren Patienten zu kommunizieren. Interview mit Prof. Dr. med. Wolf Langewitz, emeritierter Medizinprofessor und Lehrbeauftragter für Psychosomatik und Kommunikation an der Universität Basel.
Von Adeline Beijns
Wie wird die Diagnose Blutkrebs dem Patienten mitgeteilt? Was ist zu beachten? Hilft es, ein Patienten-Profil zu erstellen?
Meines Wissens gibt es keine Möglichkeit, die Reaktion eines Patienten anhand seine Charakteristika vorherzusagen, und es gibt daher auch keine speziellen, genau definierten Methoden für die Bekanntgabe einer Krebsdiagnose. Trotz der Schwere der Erkrankung ist es wichtig, das Wort «Krebs» zu verwenden, und dem Patienten Zeit zu geben, sich auf diese womöglich überraschende Nachricht einzustellen. Erkennbar wird dieser erste Verarbeitungsprozess meist dadurch, dass Betroffene aus dem Blickkontakt gehen und sozusagen ‘nach innen schauen’. Im zweiten Schritt sollte präzisiert werden, dass es sich um eine Krebserkrankung der Zellen im Knochenmark (oder in den Lymphknoten, etc.) handelt. Konkret könnte das so aussehen: «Sie haben eine Krebserkrankung», – Pause – wenn der Patient den Blickkontakt wieder aufnimmt, den zweiten Teil der Diagnose mitteilen und z.B. sagen: «Es ist eine Krebserkrankung der Zellen im Knochenmark.»
Wie kann man gut mit Patienten kommunizieren und eine optimale Betreuung gewährleisten? Warum ist Empathie in der therapeutischen Beziehung wichtig?
Ohne Kontinuität in der Betreuung kann es keine optimale therapeutische Begleitung geben. Kontinuität und der Eindruck des Patienten, dass dieser Arzt sich wirklich kümmert, sind wesentliche Elemente des Vertrauensverhältnisses zwischen Fachperson und Patient. Wie holen Sie die informierte Zustimmung des Patienten ein, wenn es um verschiedene mögliche Therapien geht? Informierte Zustimmung (informed consent) bedeutet, dass Betroffene ihre Diagnose verstanden haben, die Behandlungsoptionen kennen und wissen, was passiert, wenn nichts unternommen wird. Dabei gibt es meist eine enorme Menge an Informationen, die mitgeteilt werden könnte; die Fachperson muss entscheiden, welche Informationen wann mitgeteilt werden.
«Eine kontinuierliche Supervision anzustreben, um sie bei ihrer anspruchsvollen Arbeit zu unterstützen.»
Betroffene sollten zumindest verstanden haben, dass es eine Therapie gibt, dass sie eine gewisse Heilungschance bietet, aber mit Risiken behaftet ist, und dass der Verzicht auf eine Behandlung mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Tod führen wird.
Wie kann man Patienten während ihrer Krankheit helfen und sie unterstützen?
Psychoonkologen können Patienten dabei helfen, Hilfe in ihrem Umfeld oder ihrer Umgebung zu finden und bestimmte Ressourcen und Eigenschaften in ihrer Persönlichkeit zu erkennen, damit sie mit den Auswirkungen einer Krebsdiagnose besser umgehen können. Ihre erste Aufgabe besteht also darin, die vorhandenen Ressourcen zu finden. Ihre zweite Aufgabe besteht darin, Ressourcen vorzuschlagen, die im Leben des Patienten vernachlässigt wurden. Indem man sich darauf einstellt, dass der Umgang mit einer Krebsdiagnose ein kontinuierlicher Prozess ist, dessen Verlauf nicht linear hin zu besserer Verarbeitung führt, sondern durchaus auch Rückf.lle in bereits überwundene Verarbeitungsmodi enthalten kann. Begegnungen werden im Verlauf von einer hoffentlich immer tragfähigeren Beziehung untermauert-wie Betroffene diese Beziehung in Anspruch nehmen, wird jedes Mal neu verhandelt.
Werden Hämato-Onkologen in Kommunikation geschult?
In der Schweiz ja, in anderen Ländern nicht unbedingt. Hämato-Onkologen sollten darauf bestehen, dass dieser Teil der Ausbildung obligatorisch bleibt; sie profitieren von einer professionellen Schulung. Die Hämatologen können sich in der Schweiz fortbilden, um ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern. Zum Beispiel in Kursen der Krebsliga.
Erhalten sie regelmässig Feedback, wie sie sich verbessern können?
Leider nicht. Dies ist in meinen Augen der grösste Mangel der derzeitigen Ausbildungsprogramme und sollte durch den Einbezug von Internet-basierten 1:1 Kontakten ergänzt werden.
Welchen Rat würden Sie Hämatologen geben?
Eine kontinuierliche Supervision anzustreben, um sie bei ihrer anspruchsvollen Arbeit zu unterstützen und ihnen helfen, empathisch mit Patienten und Angehörigen umzugehen.
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung von Janssen-Cilag AG erstellt – CP-405412 08/2023 Die unabhängige Meinung des Arztes wurde vollständig respektiert
Finden Sie die Videos von Prof. Dr. Wolf Langewitz hier :